01.07.2024 05:38:30 - dpa-AFX: Pilotprojekt Vier-Tage-Woche: Viele kürzen um weniger als 20 Prozent

BERLIN (dpa-AFX) - Die Einführung einer Vier-Tage-Woche fällt vielen
Unternehmen schwerer als zunächst angenommen. Zu dieser ersten Erkenntnis kommt
das seit Februar laufende Projekt zur Vier-Tage-Woche, bei dem 45 Organisationen
in Deutschland für ein halbes Jahr das Modell testen. Rund 40 Prozent der
Unternehmen brauchten laut dem Zwischenbericht zum Projekt länger für die
Vorbereitungen und konnten erst im März oder noch später starten.

"Man denkt, es geht dabei vor allem um den Arbeitsprozess und die
Arbeitsweise, aber es geht auch darum, wie man das Team in diesem
Veränderungsprozess führt. Manche Mitarbeiter stehen dem offener gegenüber als
andere", sagte Carsten Meier von der Unternehmensberatung Intraprenör der
Deutschen Presse-Agentur. Intraprenör hat das Projekt für Deutschland initiiert.
Wissenschaftlich begleitet wird die deutsche Ausgabe von der Universität
Münster.

Nicht alle kürzen Arbeitszeit um 20 Prozent

Ursprünglich für das Projekt vorgegeben war das Konzept 100-80-100: also 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung. Knapp die
Hälfte (48 Prozent) der Organisationen hat die Arbeitszeit dem Zwischenbericht
zufolge aber lediglich um maximal 10 Prozent reduziert. "Bei relativ vielen
Unternehmen wird die verdichtete Vier-Tage-Woche mit Arbeitszeitverkürzung
angewendet", sagte Meier. An vier Tagen wird dabei etwas mehr gearbeitet als
vorher, der fünfte Tag ist frei. 38 Prozent der Unternehmen kürzten die
Arbeitszeit um genau 20 Prozent.

Intraprenör arbeitet bei dem Projekt mit der Organisation 4 Day Week Global
zusammen. Die NGO hat das Projekt in ähnlicher Form bereits in verschiedene
andere Länder gebracht. In Großbritannien zeigten sich anschließend viele der
Unternehmen sehr interessiert. Weil sich die Unternehmen freiwillig für das
Projekt melden konnten, sind die Ergebnisse sowohl aus Großbritannien als auch
die für Deutschland nicht repräsentativ für die Arbeitswelt.

Intraprenör zufolge hat mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen
zwischen 10 und 49 Mitarbeiter. Die am stärksten vertretene Branche ist
"Beratungs- und Agenturdienstleistungen" (13 Prozent).

Digitalisierung und KI als Hilfen bei der Umsetzung?

Der Zwischenbericht für das deutsche Projekt deutet an, dass die Veränderung der Arbeitszeiten einen Schub bei der Digitalisierung bewirken könnte. "Da geht
es auch um das Motto "Endlich mal umsetzen". Wir haben von Unternehmen gehört,
dass sie lange geplante digitale Lösungen jetzt auch eingeführt haben, um für
das Projekt die Prozesse anzupassen", sagte Meier.

Dass bei der Frage nach Strategien oft Digitalisierung und auch der Einsatz
von KI genannt wurden, habe die Initiatoren überrascht. "Wir bewegen uns ja hier
im Mittelstand, dem oft vorgeworfen wird, bei solchen Themen zu langsam zu sein.
Aber vielleicht kann so ein Angst-Thema wie KI, vor dem ja viele Mitarbeiter
auch Sorgen haben, neu aufgeladen werden", sagte Meier.

Zwei Unternehmen ausgestiegen

Zudem hätten einige der teilnehmenden Unternehmen "signifikant mehr
Bewerbungen erhalten - bei gleichbleibender Qualität". "Zudem wurde berichtet,
dass die Mitarbeiter in vielen Fällen eher bereit sind, mehr Verantwortung zu
übernehmen und neue Ideen einzubringen", sagte Meier. Allerdings sind auch zwei
teilnehmende Organisationen nach zwei Monaten aus dem Projekt ausgestiegen. "Das
hatte aber wohl weniger mit der Vier-Tage-Woche als mit der wirtschaftlichen
Gesamtlage zu tun, auf die man sich fokussieren wollte", sagte Meier.

Das Projekt dauert noch bis in den Sommer an. Die Veröffentlichung erster
Ergebnisse ist für Ende Oktober angedacht./nif/DP/zb

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