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08.07.2024 17:24:48 - dpa-AFX: ROUNDUP/Nato-Gipfel in Washington: Wie schlägt sich Biden?

WASHINGTON (dpa-AFX) - Mit Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum der Nato beginnt
an diesem Dienstag ein dreitägiger Gipfel des Verteidigungsbündnisses in
Washington. Bei dem Spitzentreffen in der US-Hauptstadt wollen die Staats- und
Regierungschefs der 32 Mitgliedsstaaten über den Ausbau der Abschreckung sowie
weitere Unterstützung für die Ukraine gegen Russland beraten. Zudem soll es
Gespräche über den weiteren Umgang mit China und eine verstärkte Zusammenarbeit
mit Partnern im Indopazifik-Raum geben.

Zu dem Treffen in der US-Hauptstadt werden neben Bundeskanzler Olaf Scholz
und den anderen Staats- und Regierungschefs auch zahlreiche Gäste erwartet.
Einer ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Auch Vertreter der
Europäischen Union, Australiens, Japans, Südkoreas und Neuseelands nehmen teil.

Gastgeber ist US-Präsident Joe Biden, der sich mitten in der heißen Phase
des Wahlkampfes befindet. Im November findet die Präsidentenwahl statt. Der
81-Jährige will für die Demokraten wieder ins Weiße Haus einziehen und kämpft
derzeit um seine Präsidentschaftskandidatur. Nach einem verpatzten TV-Duell
gegen seinen Kontrahenten Donald Trump und wegen seines hohen Alters stellen
viele seine Eignung als Präsidentschaftskandidat infrage - auch in der eigenen
Partei. Biden zeigt sich beharrlich und lehnt es bislang vehement ab, sich
zurück zuzuziehen.

Selenskyj: Russland greift Kinderkrankenhaus in Kiew an

Kurz vor dem Bündnis-Gipfel sorgte ein russischer Raketenangriff
Kinderklinik in der ukrainischen Hauptstadt Kiew für Entsetzen. Präsident
Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte im sozialen Netzwerk X ein Video, das
zerstörte Krankenzimmer und Blutspuren auf dem Fußboden zeigte. Bei gleich
mehreren schweren Raketenangriffen auf die Ukraine wurden insgesamt mehr als
zwei Dutzend Menschen getötet und viele verletzt.

Nato will klare Botschaften an die Ukraine und an Russland

Die Nato-Staaten wollen der Ukraine beim Gipfel versprechen, innerhalb des
nächsten Jahres Militärhilfen im Umfang von mindestens 40 Milliarden Euro zu
leisten. Die Zusage bleibt allerdings deutlich hinter dem zurück, was
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ursprünglich gefordert hatte.

Er wollte, dass es eine Mehrjahreszusage gibt, um Putin zu zeigen, dass er
nicht auf nachlassendes Engagement des Westens setzten kann. Unter anderem die
USA wollten sich jedoch nicht langfristig verpflichten.

Auch will das Bündnis für den Fall einer Wiederwahl des Republikaners Trumps im November vorbauen und Aufgaben übernehmen, die bislang von den USA erledigt
wurden - insbesondere die internationale Koordinierung von Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte. Trump steht den
Ukraine-Hilfen skeptisch gegenüber und behauptet, er könne den Ukraine-Krieg
innerhalb von 24 Stunden stoppen zu können.

Orbán sorgt für Unruhe

Für Unruhe unter den Alliierten sorgt Ungarns Ministerpräsident Viktor
Orbán, dessen Land gerade den EU-Vorsitz innehat. Im Rahmen einer als
"Friedensmission" inszenierten Staaten-Tour besuchte der Regierungschef des
Nato-Landes nun überraschend China. Zuvor war Orbán schon bei einem umstrittenen
Besuch in Moskau vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen worden und
in die Ukraine gereist. Sein Auftritt beim Nato-Gipfel wird sicherlich unter
besonderer Beobachtung der Partner stehen.

Beitrittsfrage könnte für Ärger sorgen

Für Ärger könnte beim Gipfel erneut die Frage der Nato-Perspektive für die
Ukraine sorgen. Insbesondere Deutschland und die USA lehnen es energisch ab, in
der derzeitigen Situation eine formelle Einladung zum Beitritt auszusprechen.
Grund ist die Sorge, dass ein solcher Schritt zu einer weiteren Eskalation des
Krieges führen könnte.

Auf der anderen Seite stehen Alliierte wie die baltischen Staaten oder
Polen, die argumentieren, dass Russland klar und deutlich gezeigt werden müsse,
dass es einen Nato-Beitritt der Ukraine nicht wird verhindern könne. Ein
Kompromiss könnte nun sein, den Beitrittsprozess der Ukraine in einer
Gipfelerklärung als nicht aufzuhalten beziehungsweise unumkehrbar (irreversible)
zu bezeichnen.

Haushaltskompromiss der Ampel: Pistorius verärgert

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigt sich kurz vor dem Gipfel
verärgert über eine Einigung der Ampel-Spitzen auf einen Haushaltsentwurf, die
nur geringe Steigerungen für die Bundeswehr vorsieht. Er habe deutlich weniger
bekommen, als er angemeldet habe, sagte Pistorius, der in Alaska die Übung
Arctic Defender 2024 besuchte. "Das ist ärgerlich für mich, weil ich bestimmte
Dinge dann nicht in der Geschwindigkeit anstoßen kann, wie es Zeitenwende und
Bedrohungslage erforderlich machen."

China - die größte Bedrohung der Zukunft?

Als möglicherweise größte Herausforderung des Bündnisses in der Zukunft gilt nicht Russland, sondern China. Die USA drängen darauf, dass sich die Nato
künftig deutlich mehr mit Bedrohungen durch die aufstrebende Großmacht
beschäftigt. In Ländern wie Frankreich oder Deutschland wird hingegen
befürchtet, dass Washington das Bündnis auch für den wirtschaftlichen Machtkampf
mit Peking nutzen will und Konflikte weiter verschärft werden könnten. Sicher
ist, dass nun der Ton gegenüber Peking abermals verschärft wird. Grund ist
Chinas Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Stoltenberg geht, Rutte kommt

Für Stoltenberg wird der Nato-Gipfel in Washington der letzte reguläre vor
seinem Abschied von der Militärallianz sein. Er übergibt sein Amt zum 1. Oktober
nach zehn Jahren an den früheren niederländischen Regierungschef Mark
Rutte./trö/DP/men

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