14.05.2024 07:45:44 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Blinken zu Gesprächen in Kiew - Die Nacht im Überblick

(Aktualisierung: Besuch Blinken, Explosionen Belgorod)

KIEW (dpa-AFX) - US-Außenminister Antony Blinken will bei einem Besuch in
der Ukraine unter anderem mit Präsident Wolodymyr Selenskyj die neuesten
Entwicklungen auf dem Schlachtfeld und die Auswirkungen der neuen US-Hilfen auf
den Abwehrkampf gegen Russland erörtern. Die Ukraine sieht sich einer neuen
russischen Offensive im Nordosten des Landes ausgesetzt. Angesichts der
Verschlechterung der Lage sagten Deutschland und die nordischen Länder weitere
Waffen zu.

Blinken traf am Dienstag in der Hauptstadt Kiew ein. Er wolle dort "die
anhaltende Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Ukraine"
unterstreichen, teilte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller,
mit. Darüber hinaus werde es bei den Gesprächen um langfristige
Sicherheitsverpflichtungen sowie die Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung
der Ukraine gehen. Geplant ist auch eine Rede von Blinken. Seine Reise sollte
bis zum Donnerstag dieser Woche andauern.

Es ist der vierte Besuch Blinkens in Kiew seit der russischen Invasion in
der Ukraine im Februar 2022. Neben Selenskyj wollte Blinken unter anderem
Außenminister Dmytro Kuleba treffen. Die US-Regierung hatte vergangene Woche ein
weiteres Paket mit Militärhilfen für Kiew in einem Umfang von rund 400 Millionen
US-Dollar (rund 371 Millionen Euro) angekündigt. Die vorherigen US-Mittel für
Ukraine-Hilfen waren Ende des vergangenen Jahres ausgelaufen. Neue Unterstützung
aus den USA blieb damit über Monate weitgehend aus. Das angegriffene Land ist
dringend auf die Hilfe aus den USA angewiesen.

Ukraine wehrt sich gegen Angriff bei Charkiw

Derzeit steht der neue große Angriff russischer Truppen im Grenzgebiet nahe
der Millionenstadt Charkiw im Fokus. Russische Kräfte drangen am Montag bis zum
Nordrand der Stadt Wowtschansk etwa 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw vor.
Der ukrainische Generalstab in Kiew stellte es so dar, dass die Gegend von
Angreifern gesäubert werde. Der russische Militärblog Rybar berichtete, die
russischen Einheiten hätten sich dort festgesetzt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, die Ukraine müsse alles daran setzen, eine Ausweitung der Front zu verhindern. "Unsere Aufgabe ist klar:
den Versuch Russlands zu vereiteln, den Krieg auszuweiten", sagte er in seiner
abendlichen Videoansprache. Die Nacht auf Dienstag begann für die Ukraine mit
russischen Drohnenangriffen vor allem im Süden, wie die Luftwaffe mitteilte.

Ukraine gruppiert Truppen um

Selenskyj und der Generalstab nahmen für die Verteidiger in Anspruch, die
Lage unter Kontrolle zu haben. In der Grenzregion bei Charkiw gebe es
Gegenangriffe, sagte der Präsident am Montag in Kiew. "Das Gebiet ist verstärkt
worden." Die Führung lasse auch andere Frontabschnitte nicht aus dem Auge.
"Natürlich lassen wir die Gebiete um Donezk nicht ohne die nötige Unterstützung
und den nötigen Nachschub, nämlich in Richtung Kramatorsk und Pokrowsk." Nach
Einschätzung von Militärexperten ist ein Ziel des neuen russischen Angriffs, die
Ukraine zum Abziehen von Truppen an anderen bedrohten Frontabschnitten im Osten
zu zwingen.

"Die ukrainischen Soldaten fügen dem Feind Verluste zu, erobern ihre
Stellungen zurück und erzielen in einigen Gebieten taktische Erfolge", hieß es
im Bericht des Generalstabs. Im Laufe des Tages habe es an der Front im Osten
und Süden 140 Gefechte gegeben. Selenskyj bestätigte Militärangaben, dass im
Gebiet Donezk ein russischer Kampfjet vom Typ Su-25 abgeschossen worden sei.

US-Institut kritisiert Beschränkungen beim Waffeneinsatz

Der neue russische Angriff werde der Ukraine in den kommenden Monaten große
Probleme bereiten, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in einer
Analyse. Der Experte George Barros kritisierte in der Analyse das Verbot von
Washington, dass die Ukraine gelieferte Waffen aus den USA nicht gegen
russisches Gebiet einsetzen dürfe. Dies schränke die Verteidigungsfähigkeit der
Ukraine ein. Für die russische Armee schaffe es dagegen eine Art Reservat, in
dem sie ungehindert ihre Angriffe vorbereiten könne. Die russische Luftwaffe
könne ungehindert aus eigenem Luftraum Gleitbomben auf die Großstadt Charkiw
abschießen. Die USA und Deutschland haben Beschränkungen verhängt, weil sie
hoffen, dass sich so eine Eskalation mit Russland vermeiden lässt.

Erneut Explosionen in russischer Grenzregion Belgorod

Infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine steht Russlands Grenzregion
jedoch immer wieder unter Beschuss, wobei Opfer und Schäden nicht vergleichbar
sind mit den Kriegsfolgen in der Ukraine. Die staatliche Nachrichtenagentur Tass
berichtete am Dienstagmorgen, in der Region Belgorod habe es nach einem
Raketenalarm Explosionen gegeben. Das russische Verteidigungsministerium teilte
mit, die Luftabwehrsysteme hätten über der Region 25 Raketen abgeschossen, die
aus der benachbarten Ukraine abgefeuert worden seien. Diese Angaben ließen sich
zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Neue Rüstungszusagen aus dem Norden

Angesichts der russischen Offensive im Nordosten der Ukraine sagten
Deutschland und die nordischen Länder weitere Waffen zu. "Wir sind geeint in
unserer Unterstützung für die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen den
russischen Angriff", versicherte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Treffen mit
den Regierungschefs von Schweden, Dänemark, Finnland, Norwegen und Island in
Stockholm. "Wir werden die Ukraine weiter unterstützen - so lange wie nötig."

Finnlands Regierungschef Petteri Orpo sagte, die Lage auf dem Schlachtfeld
sei kritisch und es sei an der Zeit, zu reagieren und mehr zu tun. "Wir wollen
kein neues Mariupol in Charkiw sehen. Deshalb muss jedes einzelne Land im
Westen, in der Europäischen Union sofort alles tun, was es kann." Konkrete neue
Zusagen etwa für mehr Patriot-Flugabwehrsystemen gab es bei dem Treffen aber
nicht. Die Bundesregierung versucht derzeit, weitere Patriot-Luftabwehrsysteme
für die Ukraine zu organisieren.

Berlin schraubt Erwartungen an Friedenskonferenz herunter

Scholz dämpfte die Erwartungen an die Ukraine-Friedenskonferenz im Juni in
der Schweiz. "Da sollte niemand überhöhte Erwartungen haben: Wir verhandeln dort
nicht über das Ende des Krieges", sagte Scholz dem "Stern". "Bestenfalls ist es
der Einstieg in einen Prozess, der zu direkten Gesprächen zwischen der Ukraine
und Russland führen könnte. Es wird in der Schweiz um die Sicherheit von
Atomkraftwerken gehen, über Getreideexporte, über die Frage von
Gefangenenaustausch und über das nötige Tabu, was einen Einsatz von Atomwaffen
angeht. Noch mal: Das ist alles noch ein zartes Pflänzchen."

Über das Engagement der Europäer im Ukraine-Krieg zeigte sich der
Sozialdemokrat nach seinen Appellen für mehr Waffenlieferungen enttäuscht. Es
sei "offen gesagt noch nicht genug", resümierte er. "Das ist bedrückend, denn
die Ukraine braucht dringend weitere Luftverteidigungssysteme. Putin will
offensichtlich die Infrastruktur der Ukraine zerstören."/fko/DP/stk

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