05.07.2024 05:46:29 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Studie: Soziales Umfeld beeinflusst, ob Kinder lügen

WÜRZBURG (dpa-AFX) - Das soziale Umfeld und der Erziehungsstil der Eltern
können beeinflussen, wie oft Kinder lügen. Das hat eine Studie ergeben, für die
Forscher der Universitäten Würzburg, Bonn und Oxford rund 1600 Familien
befragten sowie das Verhalten von Schulkindern und Eltern untersuchten. Kinder
können demnach lernen, ehrlicher zu sein, wenn sie Zuwendung und Vertrauen
erfahren.

In der seit 2011 laufenden Studie untersuchten der Würzburger
Wirtschaftsprofessor Fabian Kosse und seine beiden Kollegen, welche Folgen
Ressourcenmangel auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat. Die
Bereitschaft zum Lügen sei dabei ein Teilaspekt, erläuterte Kosse.

Mentoren werden zu Bezugspersonen

Für die in der Fachzeitschrift "The Economic Journal" vorgestellte Studie
begleitete das Team Kinder und deren Familien aus Köln und Bonn seit dem
Grundschulalter, zum Großteil aus bildungsfernen und sozioökonomisch schwachen
Haushalten. Darunter nahmen mehr als 200 zufällig ausgewählte Kinder ein Jahr
lang an einem Mentoring-Programm teil, bei dem Ehrenamtliche einmal die Woche
Zeit mit ihnen verbrachten, gemeinsam etwas Schönes unternahmen und so zu einer
festen Bezugsperson wurden. Die übrigen Kinder kamen in die Kontrollgruppe.
Kinder aus bildungsnahen Haushalten dienten als zusätzlicher Vergleich.

Dabei zeigte sich laut Kosse: "Ungleichheit entsteht sehr früh im Leben -
auch bei der Bereitschaft zum Lügen." In einem Experiment ließen die
Wissenschaftler die Kinder würfeln und zuvor das Ergebnis ihres Wurfes
vorhersagen. Stimmten Vorhersage und Ergebnis überein, durften sie sich einen
kleinen Geldbetrag nehmen. Dabei waren sie unbeobachtet - es kontrollierte also
niemand, ob es tatsächlich eine Übereinstimmung gab.

Wer Zuwendung erfährt, ist ehrlicher

Wie hoch der Anteil der Schummeleien jeweils war, wurde von den Forschern
anhand statistischer Wahrscheinlichkeiten errechnet. Dabei zeigte sich: "Kinder,
die am Mentorenprogramm teilgenommen hatten, waren im Gesamtergebnis ehrlicher",
sagte Kosse. Während von ihnen 44 Prozent schummelten, waren es in der
Kontrollgruppe ohne Mentoren 58 Prozent. Auch die Kinder aus bildungsnahen
Haushalten logen demnach weniger. "Ein fürsorglicher und zugewandter
Erziehungsstil steht mit weniger Lügen im Zusammenhang. Auch wenn Eltern eher
bereit sind, ihren Kindern und anderen Menschen zu vertrauen, führt das zu mehr
Ehrlichkeit", sagte Kosse.

Die Wissenschaftler werten das Ergebnis als langfristig wirkenden Erfolg für das Mentoring-Programm: Am Würfel-Experiment hatten die Kinder vier Jahre danach
teilgenommen. Das zeige, dass frühkindliche Interventionen nicht nur die
Leistungen eines Kindes verbessern, sondern auch sein soziales und moralisches
Verhalten beeinflussen könnten, heißt es in der Studie. Mentoring-Programme
seien eine wirksame Unterstützung gerade für Kinder aus Elternhäusern mit
vergleichsweise wenig Anregungen und Fürsorge./igl/DP/zb

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