14.07.2024 02:09:30 - dpa-AFX: POLITIK/Harte Landung: Italien hadert mit Berlusconi-Flughafen

MAILAND (dpa-AFX) - Der Flughafen von Italiens Hauptstadt Rom trägt den
Namen eines Universalgenies: Leonardo da Vinci (1452-1619). Der Flughafen der
Lagunenstadt Venedig ist nach dem Weltreisenden Marco Polo (1254-1324) benannt,
ihrem berühmtesten Sohn.

Und der Flughafen Mailand, Finanz- und Wirtschaftszentrum des Landes, heißt
nun nach Silvio Berlusconi (1936-2023), Italiens umstrittenstem Politiker der
letzten Jahrzehnte und über den Tod hinaus einer der größten Spalter. Seine
Anhänger jubeln. Die Gegner sind empört.

Das liegt auch daran, dass die rechte Dreier-Koalition von
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, zu der die Berlusconi-Partei Forza Italia
(Vorwärts Italien) gehört, alles im Eilverfahren durchzog. Bei Marco Polo
dauerte es von Ableben bis Flughafen fast sieben Jahrhunderte, bei Leonardo da
Vinci dreieinhalb. Bei Berlusconi verging seit dessen Krebstod mit 86 gerade mal
ein Jahr (wobei, soviel Wahrheit muss sein, die Umstände natürlich andere
waren).

Linke wettert über "Bananenrepublik"

Vor allem aber dauerte es von der Ankündigung des Vize-Regierungschefs
Matteo Salvini, Italiens zweitgrößten Flughafen Mailand-Malpensa zum Aeroporto
Silvio Berlusconi zu machen, bis zur Umsetzung nicht einmal eine Woche. Die
Zeitung "La Repubblica" nannte dies einen "Blitz", im deutschen Original, wie
früher.

Der Vorsitzende der Rechtspartei Lega weiß vermutlich so gut wie kein
anderer in Italien, wie man die Linke am meisten ärgern kann. Nachdem Salvini
seine Unterschrift unter den Erlass gesetzt hatte, tat er auch noch "große
Zufriedenheit" kund. Die Opposition sieht in Italien nun eine "Bananenrepublik".

Man liegt vermutlich auch nicht allzu fehl mit der Annahme, dass sich
Berlusconi selbst über die Aufregung bestens amüsieren würde. Der Bau- und
Medienunternehmer war eine der kontroversesten Figuren der italienischen
Politik. Trotz einer Serie von Affären, Skandalen und Verurteilungen war der
Rechtspopulist viermal Ministerpräsident, zuletzt bis 2011. Zudem stand er viele
Jahre an der Spitze des Fußballvereins AC Mailand.

Auch Merkel mit Malpensa-Episode

In Malpensa war der gebürtige Mailänder gewissermaßen zu Hause. Mit dem
Flughafen ist auch eine besondere Episode aus seiner Regierungszeit verbunden:
Als Angela Merkel 2010 auf einem Heimflug aus den USA wegen des Ausbruchs des
isländischen Vulkans Eyjafjallajökull in Italien landen musste, bot Berlusconi
der Bundeskanzlerin an, in seiner Villa zu übernachten und dann aus Malpensa
weiterzufliegen. Merkel lehnte ab. Sie fuhr lieber Bus.

Die Rechte sieht im Namensakt die angemessene "Anerkennung für einen Mann,
der so viele Jahre unserem Land gedient hat". Die Opposition hingegen spricht
von einem "Total-Verfall unserer Institutionen". Viele Linke verachten und
hassen Berlusconi heute noch.

Mit dem neuen Namen wollen sie sich keinesfalls abfinden. Im Internet setzen Tausende jeden Tag ihre Unterschrift unter Petitionen gegen den Aeroporto Silvio
Berlusconi. Zudem will man versuchen, die Entscheidung mit einer Klage vor dem
regionalen Verwaltungsgericht rückgängig zu machen.

Namen eigentlich erst zehn Jahre nach dem Tod

Die Berlusconi-Gegner stützen sich dabei auf eine Regelung, wonach
öffentliche Gebäude und Plätze in Italien erst zehn Jahre nach dem Tod einer
bekannten Persönlichkeit deren Namen bekommen dürfen. Zudem ruht ihre Hoffnung
darauf, dass die mitte-links-regierte Stadt Mailand an der Betreibergesellschaft
des Flughafens beteiligt ist. Bürgermeister Beppe Sala sagt: "Regeln sind dazu
da, eingehalten zu werden."

Einige haben auch schon angekündigt, zivilen Widerstand zu leisten - bis hin zu Ehrenworten, einen Flughafen namens Silvio Berlusconi nie im Leben zu
benutzen. Das könnte schwierig werden: Zwar hat Mailand zwei weitere Flughäfen,
Linate und Mailand-Bergamo. Beide sind aber längst nicht so gut vernetzt. Im
Internet kursieren auch schon Fotomontagen, auf denen ein anderer Name zu lesen
ist: Aeroporto Bunga Bunga, in Anlehnung an Berlusconis Partys mit
Minderjährigen.

Es gibt auch Gegenvorschläge - beispielsweise die Umbenennung des Mailänder
Justizpalastes, wo der Rechtspopulist oft vor Gericht stand und auch verurteilt
wurde. Oder auch, kleine Nebenstraßen in weniger freundlichen Ecken der Stadt
Via Berlusconi zu nennen.

Bevölkerung macht meist nicht mit

Andere setzen darauf, dass erfahrungsgemäß in den meisten Städten der Welt
die Bevölkerung bei Politikernamen für Flughäfen nicht richtig mitmacht. In Rom
nennen die wenigsten ihren Flughafen Leonardo da Vinci. Auch in Berlin sagt zum
BER kaum jemand Willy Brandt. So könnte das auch in Mailand ausgehen.

Was ohnehin sicher ist, Berlusconi hin oder her: Der internationale Code,
den die Fluggesellschaften im Luftverkehr für Malpensa verwenden, bleibt
unverändert. MXP: M steht für Mal, P für Pensa. Ursprünglich "mal pensáa", ein
Begriff aus dem Mailänder Dialekt für die dortige Ansiedlung, wo der Boden nicht
besonders fruchtbar war. Die Übersetzung ins Italienische: mal pensata. Zu
Deutsch: schlecht durchdacht./cs/DP/he

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