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08.07.2024 22:09:18 - dpa-AFX: GESAMT-ROUNDUP 2: Russischer Raketenangriff trifft Kinderklinik in Kiew

(Aktualisierung: Opferzahl gestiegen)

KIEW (dpa-AFX) - Einen Tag vor dem Nato-Gipfel in Washington sterben bei
russischen Raketenangriffen auf die Ukraine fast 40 Menschen. Eine Kinderklinik
in Kiew wird schwer beschädigt. In der Hauptstadt wurden nach Angaben der
Militärverwaltung mindestens 27 Menschen getötet und 82 weitere Menschen
verletzt. In den Industriestädten Krywyj Rih und Dnipro im Süden der Ukraine
wurden mindestens 11 Tote und 59 Verletzte gemeldet.

Fassungslosigkeit löste der Treffer auf eine der größten ukrainischen
Kinderkliniken in Kiew aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte im
sozialen Netzwerk X ein Video, das zerstörte Krankenzimmer und Blutspuren auf
dem Fußboden zeigt. "Russland kann sich nicht unwissend stellen, wohin seine
Raketen fliegen, und muss für alle seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen
werden", schrieb der Präsident.

Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von 16 Verletzten in dem Krankenhaus,
unter ihnen 7 Kinder. Zwei der Verletzten starben demnach. Laut
Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko wurden in dem Kinderkrankenhaus Abteilungen
für Dialyse, Krebsbehandlung, Operationssäle und die Intensivstation beschädigt.

Hunderte Anwohner halfen Rettungskräften, Trümmer zu räumen und nach Opfern
zu suchen. "Kleine Krebs- und Dialysepatienten sitzen mit ihren Müttern auf dem
Bürgersteig", berichtete der deutsche Botschafter Martin Jäger auf X von einem
Besuch am Krankenhaus.

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe, die
angeblich Rüstungsfabriken und Militärflugplätzen der Ukraine galten. Die vielen
Videobilder aus Kiew belegten, dass die Schäden durch eine ukrainische
Flugabwehrrakete verursacht worden seien, hieß es ohne Beleg.

Die Erschütterung der Ukrainer über den Angriff tat das Moskauer Militär als "Hysterie des Kiewer Regimes" ab, wie sie sich immer wieder vor Zusammenkünften
der Nato zeige. Ukrainischen Berichten zufolge wurde noch ein zweites
Krankenhaus in der Hauptstadt auf der anderen Seite des Dnipro beschädigt.

Ukraine vermutet gezielten Angriff auf Krankenhaus

Selenskyj wies die russischen Behauptungen zu einem Fehler der Flugabwehr
zurück. "Was für ein Zynismus, den die Mistkerle im Kreml an den Tag legten,
dass es angeblich die ukrainische Flugabwehr und kein gezielter Raketenschlag
war", sagte er auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Regierungschef
Donald Tusk in Warschau.

Selenskyj dankte allen, die Videos ins Internet gestellt haben, "auf denen
konkret zu sehen ist, dass es nicht nur ein Teil der einen oder anderen Rakete
ist, sondern ein direkter Raketenschlag ist, mit dem viele Menschen getötet und
verletzt wurden".

Der private Stromversorger DTEK berichtete von Schäden an drei
Trafostationen in der Hauptstadt. Neben Dnipro und Krywyh Rih wurden auch die
frontnahen Städte Slowjansk und Kramatorsk im ostukrainischen Gebiet Donezk zu
Zielen. Angaben zu Treffern auf militärische Ziele oder Rüstungsfabriken wurden
nicht gemacht.

Russland setzte mehrere Dutzend Raketen ein

Das russische Militär setzte bei dem Angriff Selenskyjs Angaben zufolge mehr als 40 Raketen ein. Ungewöhnlich war, dass die schwere Attacke tagsüber
stattfand am Beginn der Arbeitswoche. Die ukrainische Luftwaffe berichtete von
38 Raketen und Marschflugkörpern verschiedener Typen, von denen 30 abgefangen
worden seien. Schon in der Nacht hatte es Luftangriffe mit Drohnen,
Marschflugkörpern und Raketen gegeben.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen die russische
Invasion mit westlicher Hilfe und drängt immer wieder auf die Bereitstellung
moderner Flugabwehrsysteme.

Nach jüngsten Angaben hat die Ukraine vier der besonders leistungsfähigen
Patriot-Systeme aus US-Produktion erhalten, braucht aber nach eigener
Einschätzung viel mehr. Ein weiteres Patriot-System soll aus den Niederlanden
kommen, wie Außenminister Caspar Veldkamp und Verteidigungsminister Ruben
Brekelmanns von der neuen Regierung bei einem Besuch in der Ukraine bekräftigen.
Rumänien stellt eine weitere Anlage in Aussicht.

Kiewer Hoffnungen vor Nato-Gipfel

Kiew hofft zudem auf weitere Zusagen beim Nato-Gipfel, der am Dienstag in
Washington beginnt. Unter anderem sind bis zu sechs Patriot-Systeme aus Israel
im Gespräch. "Wir brauchen Mittel, um unsere Menschen zu schützen", sagte
Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak in einer Online-Pressekonferenz. Er gehe
davon aus, dass Russland gezielt vor dem Nato-Gipfel angegriffen habe.

Die Frage der Unterstützung für die Ukraine ist ein zentrales Thema beim
Treffen des westlichen Verteidigungsbündnisses, das seit 75 Jahren besteht. Zum
Schutz vor Russland hofft die Ukraine auf eine Mitgliedschaft. Dazu werden aber
keine neuen Schritte erwartet.

Sicherheitsabkommen zwischen Ukraine und Polen

Selenskyj traf auf dem Weg in die USA zunächst in Warschau ein. Mit
Ministerpräsident Tusk unterzeichnete er ein Sicherheitsabkommen zwischen Polen
und der Ukraine. "Wer heute die Ukraine verteidigt, verteidigt auch sich
selbst", sagte Tusk. Der ukrainische Präsident sagte, man wolle einen
Mechanismus ausarbeiten, um von Polen aus russische Raketen und Drohnen über der
Ukraine abzuschießen, die dicht an Polen herankommen.

Orban auf selbsterdachter Friedensmission

Als selbst ernannter Vermittler führte der ungarische Ministerpräsident
Viktor Orban nach Besuchen in Kiew und Moskau Gespräche auch in Peking. Auf X
sprach er von der 3. Stufe seiner Mission. Auch wenn Ungarn derzeit die
EU-Ratspräsidentschaft innehat, wird die Mission in Brüssel als nicht
abgesprochen kritisiert und als Orbans Privatinitiative gesehen.

Präsident Putin übergebe durch Orban keine Botschaft an US-Präsident Joe
Biden oder den Nato-Gipfel, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Kiew
wolle gutnachbarliche Beziehungen mit Ungarn, sagte Stabschef Jermak. Die
Ukraine brauche aber keine Vermittler. Nötig sei ein Plan, wie der Krieg beendet
werden könne. Grundlage dafür seien Selenskyjs international weithin anerkannte
Vorschläge.

In Moskau traf unterdessen der indische Premierminister Narendra Modi zu
Gesprächen mit Putin auch über den Krieg ein. Die Rohstoffgroßmacht Russland ist
für Indien ein wichtiger Energielieferant. Durch die Einnahmen aus dem Verkauf
von russischem Öl, das Indien angesichts des westlichen Embargos gegen Moskau
mit Rabatten erhält, kann Putin auch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine
weiter finanzieren./ast/DP/he

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