12.07.2024 16:25:15 - dpa-AFX: ROUNDUP: Fußball-EM-Effekt ist für Brauereien verpufft

SCHMALLENBERG (dpa-AFX) - Die Fußball-Europameisterschaft sorgt bei
Deutschlands Brauereien für lange Gesichter. Denn die Firmen hatten mit einem
kräftigen Nachfrageschub gerechnet, wenn Fans gemeinsam feiern und dabei tief
ins Glas gucken. Doch es kam anders: "Der Fußball-EM-Effekt ist für die
Brauereien gefloppt", sagt der Veltins-Generalbevollmächtigte Michael Huber.

Nach Schätzung seiner Firma, die als Anteilseigners eines für Supermärkte
tätigen Logistikers einen guten Marktüberblick hat, wurden im Juni in
Deutschland nur acht Millionen Hektoliter verkauft und damit etwas weniger als
im Mai.

Der Rückgang ist überraschend, da im Juni üblicherweise mehr Bier getrunken
wird als im Mai. Hier gilt grob gesagt die Regel: Je wärmer und sonniger das
Wetter ist, desto mehr Bier wird getrunken. Doch das verregnete Wetter dämpfte
die Trinkfreude.

Allein daheim statt draußen im "Rudel"

Die Menschen hätten sich im bisherigen Turnierverlauf nicht im großen Stil
zum "Rudelgucken" getroffen, sondern stattdessen allein zu Hause Fußball geguckt
und währenddessen vergleichsweise wenig Bier getrunken, sagt Huber. "Das ist
etwas anderes als wenn man den Nachbarn zum Grillen einlädt und dabei Bier
trinkt." Es gebe eine Konsumzurückhaltung und Sparneigung. Ihr Übriges täten die
omnipräsenten düsteren Themen der Weltpolitik, die bisweilen keine ausgelassene
Partystimmung aufkommen ließen. "Das haben wir zu spüren bekommen."

Beim "Sommermärchen" - also der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland
2006 - sei das anders gewesen, sagt Huber. Damals lag der Bierabsatz im Juni den
Angaben zufolge bei circa 11 Millionen Hektolitern und damit drei Millionen
höher als im Juni dieses Jahres.

In den Gaststätten einiger Städte sei zwar zeitweise mehr Bier getrunken
worden, dies seien aber lokale Effekte geblieben, sagt Huber. Die Brauereien
verkaufen in Deutschland nur circa ein Sechstel des Biers an die Gastronomie,
den Löwenanteil ihres Geschäfts machen sie mit dem Handel - und da verlief der
Absatz nach Einschätzung von Veltins mau.

Positive Halbjahreszahlen von Veltins

Veltins legte zudem Zahlen vor, denen zufolge das Familienunternehmen im
ersten Halbjahr 2024 gut vier Prozent mehr Bier verkaufen konnte als im
Vorjahreszeitraum. Der Gesamtausstoß lag den Angaben zufolge bei rund 1,7
Millionen Hektolitern. Im Juni verbuchte aber auch Veltins ein Minus. Für die
zweite Jahreshälfte rechnet Manager Huber nur mit einem leichten Wachstum.

Was die anderen Brauer sagen

Auch der Deutsche Brauer-Bund äußerte sich verhalten über die Folgen der
Fußball-EM für die Branche. "Das Wetter hat leider nicht immer so mitgespielt,
wie wir es uns gewünscht hätten", sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. "Die
Achterbahnfahrt der Temperaturen und die häufigen Unwetter haben vielen Wirten
das Geschäft verhagelt, so manche Gartenparty fiel ins Wasser." Außerdem spüre
auch die Bierbranche die Konsumzurückhaltung, die Verbraucherstimmung habe sich
eingetrübt.

Andere Brauereien meldeten sich ebenfalls zu Wort. "Der deutsche Biermarkt
bleibt auch 2024 unter Druck", sagte eine Radeberger-Sprecherin. "Auch, wenn es
für eine abschließende Bilanz zu früh ist, konnte die Fußball-EM in der Fläche
wohl nicht die von der Branche erhofften größeren Absatzimpulse bringen." Das
Statistische Bundesamt will die Absatzzahlen für Juni und somit für das
komplette erste Halbjahr in zwei Wochen publizieren, diese Angaben dürften
präziser sein als die Veltins-Schätzung.

Die Radeberger-Sprecherin sagte mit Blick auf den Gesamtmarkt, dass die
Brauer auf einen doch noch irgendwann einsetzenden Sommer hofften, der wichtige
Absatzimpulse bringen könne. Ein Krombacher-Sprecher zeigte sich mit Blick den
Geschäftsverlauf seiner Firma im ersten Halbjahr "recht zufrieden". Warsteiner
wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Generationswechsel bei Veltins

Die Brauerei Veltins hat 721 Beschäftigte, das Stammwerk ist in
Meschede-Grevenstein im Hochsauerlandkreis (NRW). Bei dem Familienunternehmen
kommt es zum Jahreswechsel zum Stühlerücken in der Chefetage. Der Firmenlenker
Huber (75) scheidet nach fast drei Jahrzehnten am Ruder altersbedingt aus, der
bisherige Vertriebsgeschäftsführer Volker Kuhl (61) wird dann Sprecher der
Geschäftsführung. Die Firmeninhaberin Susanne Veltins (64) verlässt dann
ebenfalls die Geschäftsführung und wechselt in den Beirat von Veltins.

Ihr Neffe Fabian Veltins (34) ist bereits in der Firma tätig, er könnte in
einigen Jahren Unternehmenschef werden. "Es ist mein Lebenstraum, die Brauerei
Veltins eines Tages zu übernehmen", sagt der Braumeister, der vor seinem Start
bei Veltins in Spanien bei einer anderen Brauerei Erfahrungen gesammelt hat.
Seine Tante Susanne Veltins sagt: "Ich möchte ihm Zeit geben, sich in Ruhe in
alle Bereiche einzuarbeiten."/wdw/DP/men

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