25.06.2024 13:57:13 - dpa-AFX: EM 2024: Ohne Taschenrechner? EM droht Pakt der Außenseiter

FRANKFURT (dpa-AFX) - Schande und Weltskandal. Wenn bei Fußballturnieren
vorsätzliche Schiebung gewittert wird, ist der Aufschrei groß. An diesem
Mittwoch wäre beim eigentlich unspektakulären EM-Duell zwischen der Slowakei und
Rumänien in Frankfurt am Main ein zweites Gijón theoretisch möglich. Denn beiden
Außenseitern reicht ein Remis zum sicheren Achtelfinal-Einzug. Doch die Teams
beteuern unisono, dass es nicht zu ähnlichen Szenen wie beim Nichtangriffspakt
von der WM 1982 kommen wird.

Damals hatten in der spanischen Stadt Gijón sowohl Deutschland als auch
Österreich mit dem 1:0 der DFB-Auswahl die nächste Runde erreicht - zulasten von
Algerien, das die Gruppenphase zuvor bereits beendet hatte. Das Spiel ging als
Schande von Gijón in die Geschichte ein. Diesmal nimmt Deutschland höchstens
eine Nebenrolle ein, schließlich wird Daniel Siebert die brisante Partie leiten.

Kevin De Bruyne und seine Belgier sind in der Gruppe E, in der alle vier
Teams drei Punkte haben, ebenfalls beteiligt. Zwar haben die Roten Teufel das
Weiterkommen mit einem Sieg oder einem Remis gegen die Ukraine in eigener Hand,
doch die Position in der Gruppe hängt maßgeblich vom Ausgang der Parallelpartie
ab. Und bei dem könnten sich Rumänien und die Slowakei theoretisch absprechen.

Slowaken wollen keine Taschenrechner zücken

"Wir haben noch nicht die Taschenrechner gezückt, obwohl das in der Slowakei so üblich ist", versicherte der slowakische Routinier Stanislav Lobotka.
Rumänien will Spekulationen über eine Schieberei erst gar nicht aufkommen
lassen. "Leute, meine Botschaft ist klar. Wir spielen um den ersten Platz, wir
spielen um den Gruppensieg! So wie wir zuvor in jeder Sekunde alles gegeben
haben, werden wir jetzt und immer in jeder Sekunde alles geben!", sagte Trainer
Edi Iordanescu in einer Botschaft an seine Spieler.

Er betonte: "Ja, ein Unentschieden gegen die Slowakei reicht uns. Wenn es so endet, sind wir glücklich. Aber damit es so endet, müssen wir bereit sein,
dieses Spiel gewinnen zu wollen." Das Ziel sei Platz eins, um im Achtelfinale
einen einfacheren Gegner zu bekommen. Aber wie viel Risiko geht eine Mannschaft
ein, wenn nur bei einer Niederlage das vorzeitige Aus droht - und bei einem 0:0
sicher nicht?

Außenseiter wie die Slowakei, Rumänien und die Ukraine sind natürlich froh,
dass die EM seit 2016 mit 24 statt 16 Mannschaften ausgetragen wird. Die
Ansetzung, erst am letzten Gruppenspieltag antreten zu müssen, erlaubt den
betroffenen Mannschaften Rechenschiebereien - und theoretisch sogar ein
Ballgeschiebe. Für die UEFA könnte die knifflige Konstellation zu einem Problem
werden. Und im schlimmsten Fall für einen Skandal sorgen, der in Erinnerung
bleibt.

Remis reicht Slowakei und Rumänien zum Weiterkommen

Sowohl die Slowakei und Rumänien (18.00 Uhr/ARD und MagentaTV) als auch die
Ukraine und Belgien mit dem italienisch-deutschen Trainer Domenico Tedesco
(18.00 Uhr/RTL und MagentaTV) haben vor dem Gruppenfinale am Mittwoch das
Weiterkommen selbst in der Hand. Ein Sieg reicht jedem Team aus dem Quartett.

Durch den Modus mit 24 Teams und sechs Gruppen, aus denen die vier besten
Dritten weiterkommen, wissen die Slowaken und Rumänien aber auch vor dem
Anpfiff: Bei einem Remis in der vom deutschen Referee Siebert geleiteten Partie
würden beide Teams sicher unter den besten Drei der Gruppe bleiben. Ein enormer
Vorteil im Vergleich zu Teams wie Ungarn und Kroatien, die so viel Informationen
am Anfang des letzten Vorrundenspieltags noch nicht hatten. Der Ukraine hingegen
könnte bei einem eigenen Unentschieden im Duell mit Belgien oder einer
Niederlage die Konstellation aufgrund der schlechtesten Tordifferenz zum
Verhängnis werden.

"Natürlich, das ist uns klar", antwortete der ukrainische Mittelfeldspieler
Heorhij Sudakow auf die Frage, ob der Mannschaft bewusst sei, dass ein
Unentschieden womöglich nicht ausreichen werde. Er hofft: "Keiner in der
Mannschaft redet von einem Unentschieden. Jeder bereitet sich darauf vor, auf
Sieg zu spielen." Sein Teamkollege Maxym Talowjerow erklärte: "Ich glaube, dass
eine Mannschaft, die auf ein Unentschieden spielt, bereits zu 95 Prozent das
Spiel verloren hat. Deshalb spielt jede Nationalmannschaft, auch die Ukraine,
auf Sieg." Enden beide Spiele mit einem Remis, bliebe die Ukraine Vierter.

"Weltskandal" für Italien bei der EM 2004

Das heikle Szenario, das zwei Kontrahenten am letzten Gruppenspieltag ein
bestimmtes Ergebnis genügt, ist nicht neu: Selbst bei der EM 2004
- als es nur 16 Teilnehmer gab und die Gruppendritten noch nicht
weiterkommen konnten - hätten Dänemark und Schweden mit einem 2:2 beide das
Viertelfinale erreicht. Genau so ging die Begegnung aus, Italien war trotz eines
2:1 gegen Bulgarien raus. Grund war damals ein Dreiervergleich zwischen
Dänemark, Schweden und der Squadra Azzurra.

Im Lager des Kontrahenten Italien hatte das schon vor der Partie für großen
Unmut gesorgt: Gennaro Gattuso forderte sogar den Einsatz von 50 TV-Kameras,
damit während des Spiels auch das kleinste Anzeichen von Schiebung dokumentiert
werden könnte. "Das ist ein Weltskandal", meinte danach der tobende Torwart
Gianluigi Buffon. Trainer Giovanni Trapattoni aber sagte: "Wir hegen keinen
Verdacht gegen die Skandinavier und gehen erhobenen Hauptes."/pre/ujo/cjo/DP/jha

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