20.06.2024 12:08:00 - dpa-AFX: Streiks: Deutschland international nur im unteren Mittelfeld

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Das Jahr 2023 war in Deutschland stark von
Arbeitskämpfen geprägt, im internationalen Vergleich liegt die Bundesrepublik
jedoch weiterhin im unteren Mittelfeld. Das geht aus einer am Donnerstag
veröffentlichten Bilanz des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts
(WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. In anderen Ländern
ist das Ausmaß der Streiks demnach größer - so war die Zahl der ausgefallenen
Arbeitstage pro 1000 Beschäftigte im Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre
deutlich höher. Belgien kommt auf 103 Ausfalltage pro Jahr, Frankreich auf 92
(allein im Privatsektor), Finnland auf 90 und Kanada auf 83. In Deutschland sind
es lediglich 18 Tage.

Dennoch war die Streikbereitschaft hierzulande im Jahr 2023 vergleichsweise
hoch. Das WSI verzeichnete 312 Arbeitskämpfe und mehr als 850 000
Streik-Teilnehmer. Die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage lag mit insgesamt 1,5
Millionen doppelt so hoch wie 2022 (674). Es ist auch der höchste Wert seit
2015, als insgesamt rund 2 Millionen Arbeitstage gestreikt wurden. Grund für die
vielen Streiks sind den Studienautoren zufolge die hohe Inflation und die
dadurch verursachten Reallohnverluste der Beschäftigten.

Die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch, sieht in der
großen Streikbeteiligung ein gutes Zeichen. Das Engagement fördere das Zutrauen,
"die eigenen Arbeits- und Lebensbedingungen positiv beeinflussen zu können und
stärkt damit nicht zuletzt auch die Demokratie in Deutschland". 2024 wird erneut
ein arbeitskampfintensives Jahr erwartet. Dass Deutschland international
hinterherhinkt, ist den Forschern zufolge auf das vergleichsweise restriktive
Streikrecht zurückzuführen. In vielen Länder seien weitreichendere Streiks
möglich.

Die WSI-Arbeitskampfbilanz ist eine Schätzung auf Basis von
Gewerkschaftsangaben und Medienberichten. Warnstreiks werden demnach nicht von
allen Gewerkschaften erfasst, Streiks außerhalb des Tarifgeschehens werden nur
in Ausnahmefällen bekannt./cr/DP/jha

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