25.06.2024 11:55:22 - dpa-AFX: POLITIK: Immer mehr Betroffene wenden sich an Antidiskriminierungsstelle

BERLIN (dpa-AFX) - Im vergangenen Jahr haben sich deutlich mehr Menschen
wegen Diskriminierungserfahrungen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
gewandt als im Jahr davor. 2023 gab es 10 772 Beratungsanfragen, rund 2000 mehr
als im Vorjahr und ein erneuter Rekordwert. Das geht aus dem Jahresbericht der
Stelle hervor, den die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman,
am Dienstag in Berlin vorlegte. Ataman sprach von einem alarmierenden Trend.

Rassismus äußere sich offener, direkter und härter, sagte sie. "Eine
"Ausländer-Raus"-Stimmung und zunehmende Menschenverachtung beobachten wir nicht
nur beim Feiern auf Sylt oder auf Volksfesten." Migranten, Menschen mit
Behinderung und queere Menschen erlebten sie ganz konkret in ihrem Alltag.
Ataman nannte etwa Diskriminierungen im Job oder bei der Wohnungssuche. Die
Betroffenen fühlten sich zunehmend alleine gelassen.

Rassismus und Antisemitismus häufigste Gründe

Nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dürfen Menschen nicht
"aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität" benachteiligt werden. Die meisten Anfragen bei der
Antidiskriminierungsstelle bezogen sich mit Blick auf dieses Gesetz auf
rassistische oder antisemitische Diskriminierung (41 Prozent). In 25 Prozent der
Fälle ging es um Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung, in 24 Prozent
wegen des Geschlechts. 14 Prozent der Anfragen bezogen sich auf
Benachteiligungen wegen des Alters.

Besonders oft findet Diskriminierung dem Bericht zufolge weiterhin im
Arbeitsleben statt: Ein Drittel (2646) der geschilderten Fälle betraf negative
Erlebnisse im Job. Der zweitgrößte Teil der Beratungsfälle (1525) bezog sich auf
Ausgrenzungserfahrungen im Alltag, zum Beispiel im Restaurant, beim Einkaufen
oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. An dritter Stelle liegen schlechte
Erfahrungen mit Ämtern, Behörden, Polizei und Justiz (1146).

Zahlen zeigen nicht wahres Ausmaß von Diskriminierung

"Die Zahlen ergeben kein repräsentatives Bild der Diskriminierungsfälle in
Deutschland", heißt es in dem Bericht. So gebe es neben der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes weitere Anlaufstellen, an die sich
Menschen wenden können. Außerdem würden die meisten Betroffenen Diskriminierung
auch gar nicht melden. "Wir müssen daher von einer hohen Dunkelziffer ausgehen."
Der Anstieg der Zahlen lässt somit aber auch keine Rückschlüsse darauf zu, ob
Diskriminierung in der Gesellschaft tatsächlich zunimmt. Der Anstieg der Zahlen
kann auch damit zusammenhängen, dass mehr Menschen von dem Angebot wissen und es
nutzen beziehungsweise mehr Menschen den Mut fassen, sich an die Beratungsstelle
zu wenden.

Ladendetektiv fischt gezielt schwarzen Kunden heraus

Der Bericht stellt einige Beispielfälle von Betroffenen heraus. So wandte
sich etwa ein Mann mit schwarzer Hautfarbe an die Antidiskriminierungsstelle. Er
war der Schilderung zufolge als Einziger beim Betreten eines Kaufhauses vom
Ladendetektiv aufgefordert worden, sich auszuweisen. Der Detektiv begründete das
Vorgehen damit, dass es häufiger zu Diebstählen durch Schwarze gekommen sei. In
einem weiteren Fall berichtete eine pensionierte Lehrerin, dass sie nach einer
Bewerbung auf eine Vertretungsstelle abgewiesen worden sei, weil das Kollegium
jung sei und ältere Lehrer dort "nicht zurechtkämen".

Antidiskriminierungsstelle hilft bei Ausgrenzungserfahrungen

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berät seit 2006 Betroffene auf
Basis des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei der Durchsetzung ihrer
Rechte. Die Stelle holt auch Stellungnahmen der Gegenseite ein und vermittelt
gütliche Einigungen. Über die Jahre hat sich die Gesamtzahl der
Beratungsanfragen immer weiter erhöht./jr/DP/jha

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