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04.07.2024 16:54:35 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Hochspannung im Ampel-Haushaltsstreit - gelingt Durchbruch?

BERLIN (dpa-AFX) - Die SPD drängelt, die FDP will sich nicht unter Druck
setzen lassen: Ob es in den Ampel-Verhandlungen über den Haushaltsplan 2025 bis
Freitag zu einer Einigung kommt, ist weiter völlig offen. Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian
Lindner (FDP) kamen am Nachmittag im Kanzleramt zu einer weiteren von unzähligen
Verhandlungsrunden in den vergangenen Monaten zusammen.

Ob es die entscheidende wird, war zu Beginn noch völlig unklar. Es wurden
Gespräche notfalls bis tief in die Nacht erwartet. Spätestens um kurz vor 7.00
Uhr am Freitagmorgen ist aber erstmal Schluss. Scholz muss dann in die
SPD-Fraktion, um über den Stand der Dinge zu berichten - auch wenn es bis dann
keinen Durchbruch gibt.

Lindner: "Wir müssen sorgfältig beraten"

Die SPD-Fraktion hatte die Sondersitzung schon am Mittwoch angesetzt.
Begründung: Es ist der letzte Sitzungstag vor der parlamentarischen Sommerpause
und die Abgeordneten wollten Klarheit haben.

Lindner wies Druck für eine schnelle Einigung zurück. "Wir müssen sorgfältig beraten. Es geht um die Stabilität unserer Staatsfinanzen in einer unruhigen
Weltlage", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Turbo statt Wumms

Verhandelt wird auch über ein Maßnahmenpaket, um die schwache Konjunktur in
Schwung zu bringen. Der Kanzler nennt es "Wachstumsturbo". Frühere Hilfspakete
hatte er "Wumms" oder "Bazooka" getauft.

Scholz, Habeck und Lindner wollten eigentlich bis zu diesem Mittwoch eine
Verständigung schaffen. Jetzt ist der 17. Juli für den Kabinettsbeschluss im
Gespräch. Um diesen Termin zu erreichen, ist aber eine baldige Grundsatzeinigung
nötig, weil die Ausarbeitung des Haushaltsgesetzes dann in der Regel noch etwa
zehn Tage dauert. Ab Mitte September befasst sich dann der Bundestag mit dem
Haushaltsentwurf, der dann im November oder Dezember beschlossen werden könnte.

Noch Milliardenlücke

Die Einzeletats sind weitgehend ausgehandelt, umstritten ist dem Vernehmen
nach vor allem noch der Sozialetat. Daneben besteht immer noch eine Lücke von
rund 10 Milliarden Euro, die geschlossen werden muss. Vor allem die SPD dringt
mit Blick auf finanzielle Belastungen durch den Ukraine-Krieg, die
Schuldenbremse erneut auszusetzen, um mehr Spielraum für Investitionen zu haben.
Für Lindners FDP kommt das nicht infrage. Die SPD lehnt Kürzungen im Sozialetat
ab.

Daneben geht es auch um mögliche Kürzungen im Klima- und
Transformationsfonds - aus diesem Sondertopf finanziert die Bundesregierung
Projekte für mehr Klimaschutz. Infolge eines Urteils des
Bundesverfassungsgerichts fehlen Milliarden in dem Topf.

Scholz tippt 1-0 für Deutschland - und für die Ampel?

Scholz ging beim Festakt zum 75. Gründungsjubiläums des Verbands kommunaler
Unternehmen in Berlin nicht auf die Haushaltsverhandlungen ein. Er warb in
seiner Rede aber ganz allgemein für mehr Zuversicht in Deutschland. "Die
Zuversicht ist die Triebfeder der Moderne", sagte er. Deutschland bekomme gerade
in schwierigen Zeiten sehr viel hin. "All das mit einer unaufgeregten
Zuverlässigkeit."

Zuversichtlich zeigte sich Scholz auch mit Blick auf das Viertelfinale der
Fußball-EM, für das er einen knappen Sieg der deutschen Mannschaft erwartet. Auf
die Frage, was sein Tipp sei, antwortete er: "Tja, 1:0 für Deutschland." Scholz
will am Freitag um 18.00 Uhr in Stuttgart live dabei sein, wenn die deutsche
Mannschaft gegen Spanien antritt. Ob er dann eine Grundsatzeinigung im
Haushaltssstreit in der Tasche hat, ist fraglich.

Lindner: Mut zu Prioritäten

Der Finanzminister äußerte sich zurückhaltend. "Es ist noch einiges an
Arbeit zu tun", sagte Lindner bei einer Veranstaltung in seinem Ministerium.
"Unser Land hat keinen Mangel an Geld, sondern oft nur einen Mangel an Mut,
Prioritäten zu setzen."

Lindner sprach sich erneut für Kürzungen bei Sozialausgaben aus. Seit 2022
gebe es 15 Milliarden Euro höhere Sozialausgaben allein aufgrund der Ausweitung
von Leistungen und der Einführung neuer Leistungen. Der Finanzminister nannte
den Kindersofortzuschlag, die Ausweitung des Wohngelds und das Deutschlandticket
im Nah - und Regionalverkehr zum Preis von 49 Euro im Monat. Lindner sagte
weiter, im Zuge der "Wirtschaftswende" und einer Aktivierung am Arbeitsmarkt
müsse es "zwangsläufig" auch zu Maßnahmen beim Bürgergeld kommen.

Maßnahmenpaket soll Wachstum ankurbeln

In diesem Jahr wird in Deutschland nur ein Mini-Wachstum erwartet.
Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, auch der private Konsum kommt
nicht in Schwung. Wirtschaftsverbände beklagen seit langem Standortnachteile wie
eine hohe Steuer- und Abgabenlast, einen Mangel an Fachkräften und zu viel
Bürokratie.

Hier will die Regierung mit dem "Wachstumsturbo" ansetzen. Scholz hatte
bereits gesagt, die Bundesregierung wolle private Investitionen fördern. Er
stellte verbesserte steuerlichen Abschreibungen für Firmen in Aussicht. Außerdem
sollten die Erwerbstätigkeit von Eltern erleichtert und Arbeitsanreize erhöht
werden, auch steuerlich.

Nachtragshaushalt erwartet

Im Zuge der Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 und ein
Wachstumspaket wird erwartet, dass die Bundesregierung auch einen
Nachtragshaushalt für dieses Jahr auf den Weg bringt. Damit würde sie sich mehr
finanziellen Spielraum verschaffen. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer
als erwartet läuft, lässt die Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse eine
größere Nettokreditaufnahme zu. Dabei könnte es um bis zu elf Milliarden Euro
gehen. Bisher ist für das laufende Jahr im Rahmen der Schuldenbremse eine
Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro geplant./hoe/DP/jha

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