25.06.2024 16:07:18 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP/Chef von Palästinenserhilfswerk: Lage ist die 'Hölle'

GENF (dpa-AFX) - Im Gazastreifen bricht die öffentliche Ordnung nach Angaben
des Chefs des Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, zusammen. Viele
Lastwagen mit Hilfsgütern würden gestoppt und geplündert, die Fahrer bedroht.
Unternehmer wollten keine Lastwagen für Hilfsgüter mehr zur Verfügung stellen,
sagte Lazzarini am Dienstag in Genf. Es seien die ersten Anzeichen von sich
ausbreitendem Chaos.

In dem Küstenstreifen gebe es alle möglichen Schmuggelgeschäfte, unter
anderem mit Zigaretten, die pro Stück teils mehr als 20 Euro kosteten. Auch in
Hilfskonvois seien geschmuggelte Zigaretten gefunden worden. Lazzarini betonte,
dass die Konvois von Dienstleistern durchgeführt worden seien, nicht von
UN-Angestellten.

Um die katastrophale Lage vor Ort weiter zu illustrieren, sagte Lazzarini,
dass wegen der Kriegshandlungen jeden Tag zehn Kinder und Jugendliche ein oder
beide Beine verlören. Es handele sich nur um untere Gliedmaßen, nicht Hände oder
Arme, fügte er hinzu.

Lazzarini: Lage in Gaza zeigt "Versagen der Menschlichkeit"

In einer Rede vor dem Aufsichtsgremium des Hilfswerks hatte Lazzarini
bereits am Montag drastische Worte für die Zustände im Gazastreifen gefunden: So
bezeichnete der UNRWA-Chef die Lage vor Ort als "Hölle". "In den vergangenen
neun Monaten haben wir ein beispielloses Versagen der Menschlichkeit erlebt",
sagte Lazzarini laut Redetranskript. Mehr als zwei Millionen Menschen im
Gazastreifen befänden sich "in einem Alptraum, aus dem sie nicht erwachen
können".

Das "katastrophale Ausmaß" des Hungers dort sei das Ergebnis menschlichen
Handelns. "Kinder sterben an Unterernährung und Dehydrierung, während
Lebensmittel und sauberes Wasser in Lastwagen warten." Lazzarini rief in seiner
Rede demnach dazu auf, die "entscheidende Rolle" des UNRWA zu schützen. Es müsse
seine Arbeit fortsetzen können, bis eine politische Lösung in Sicht sei.

Vereinte Nationen sehen Israel in der Pflicht

Die Vereinten Nationen betrachten Israel als Besatzungsmacht und leiten
daraus die Verpflichtung israelischer Sicherheitskräfte ab, im Gazastreifen für
Recht und Ordnung zu sorgen. Israel sieht sich seit dem Rückzug aus dem
Gazastreifen 2005 nicht mehr als Besatzungsmacht.

UNRWA war im Januar in die Schlagzeilen geraten, weil Israel behauptete,
zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks seien in das Massaker vom 7. Oktober verwickelt
gewesen und die Organisation als Ganzes sei von der Hamas unterwandert. Ein
Prüfbericht unabhängiger Experten kam später zum Schluss, UNRWA habe "robuste"
Mechanismen etabliert, um seinen Neutralitätsgrundsatz zu wahren. Allerdings
gebe es Verbesserungsbedarf. Zugleich hieß es in dem Bericht, Israel habe für
manche Behauptungen nie Beweise vorgelegt./alz/DP/jha

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