09.07.2024 12:50:58 - dpa-AFX: SPORT/'Feier versaut': Wahl-Turbulenzen dämpfen Olympia-Vorfreude in Paris

PARIS (dpa-AFX) - Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist wenige Tage
vor der Olympia-Eröffnung ziemlich sauer auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel
Macron. Mit der vorgezogenen Parlamentswahl kurz von den Spielen habe der
Staatschef "die Feier versaut", schimpfte Hidalgo. Die ungewisse politische
Zukunft ist auch nach dem Ausgang der Wahlen weiter Thema Nummer eins im Land -
die am 26. Juli startenden Sommerspiele sind es hingegen nicht.

Statt Vorfreude auf das Weltereignis dominiert Sorge vor einem unregierbaren Frankreich die Medien. Hidalgo wetterte, der kollektive Moment der Freude und
der Zuversicht, den die Spiele bedeuteten, sei zunichtegemacht worden.

Aber wirkt sich der Ausgang der Parlamentswahl überhaupt auf die
Sommerspiele aus, die mit einer feierlichen Zeremonie auf der Seine im Herzen
der französischen Hauptstadt eröffnet werden, zumal der erwartete Rechtsruck nun
ausgeblieben ist? Entwarnung gaben in dieser Frage bereits die
Olympia-Organisatoren, die französische Regierung und auch die Bürgermeisterin.

Keine Störung der Spiele durch politische Entwicklung

"Es besteht kaum die Gefahr, dass es zu Störungen bei der direkten
Organisation der Spiele kommt", sagte der Pariser Organisationschef der Spiele,
Tony Estanguet, bereits, als die Wahl angekündigt wurde. Der politische Kalender
werde die Vorbereitungen auf die Spiele nicht beeinträchtigen.

"Wir haben Ansprechpartner, auch auf staatlicher Ebene, die feststehen."
Dies seien der Polizei- und Regionalpräfekt und der interministerielle
Delegierte für die Spiele, die einen kontinuierlich guten Austausch der
staatlichen Stellen mit den Organisatoren der Spiele gewährleisteten und mit
denen die Vorbereitung der Wettkämpfe und Feierlichkeiten koordiniert werde, so
Estanguet. "Und man hat uns garantiert, dass sich diese Ansprechpartner bis zu
den Spielen nicht ändern werden."

Hohe Sportfunktionäre zeigten sich bei der Ankündigung der Wahlen gelassen.
Diese würden die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele nicht
beeinträchtigen, er erwarte einen reibungslosen Ablauf, sagte IOC-Präsident
Thomas Bach.

Als vereinzelt Medien über eine mögliche Verschiebung oder sogar Absage der
Spiele wegen der politischen Turbulenzen spekulierten, dementierten die
Olympia-Macher umgehend. "Dies ist offensichtlich Teil der laufenden
Desinformations-Kampagne gegen Frankreich, das IOC, seinen Präsidenten und die
Olympischen Spiele", teilte das IOC mit.

Von schwierigen Rahmenbedingungen angesichts der politischen Situation
sprach zwar DOSB-Präsident Thomas Weikert vor einigen Tagen. Er habe aber großes
Vertrauen in einen guten Ablauf der Spiele.

In Planungen wird nicht mehr eingegriffen

Und auch Bürgermeisterin Hidalgo meinte, dass die politische Lage keine
Auswirkungen auf die Olympischen Spiele haben werde. Diese wären von einer
politischen Machtverschiebung nicht beeinträchtigt. Alle Vorbereitungen seien im
Zeitplan und in Planungen und Abläufe werde nicht mehr eingegriffen, sagte
Hidalgo.

Das Pariser Innenministerium betonte, dass die Olympischen Spiele unter der
Zuständigkeit der Präfekten vor Ort organisiert werden. Das operative Geschäft
der Spiele unterliege insbesondere kurz vor dem Start nicht wirklich politischen
Willkürentscheidungen, sagte ein Ministeriumssprecher der Zeitung "Les Échos".
Die Politik werde bei den Spielen erst dann die Richtung vorgeben, wenn es zu
schwerwiegenden Vorfällen wie etwa einem Anschlag komme.

Nach Wahlumfragen und den Ergebnissen der ersten Wahlrunde hatte Frankreich
sich zunächst auf einen Sieg des rechtsnationalen Rassemblement National (RN)
von Marine Le Pen eingerichtet und war von der Möglichkeit eines historischen
Rechtsrucks ausgegangen. Die Sorge nicht nur der Menschen in Frankreich war,
dass eine neue rechte Regierung so ein internationales Ereignis wie die
Olympischen Spiele vielleicht doch noch umkrempelt.

Hidalgo: Spiele in Paris stehen der Welt offen

Angesichts der politischen Lage und der kurzfristig angesetzten
Parlamentswahlen habe sie aus aller Welt Anfragen erhalten, was in Frankreich
los sei und was passiere, falls die extreme Rechte an die Macht komme, sagte
Hidalgo, kurz nachdem die Wahlen angesetzt wurden. Trotz politischer Wirren
ermunterte sie Menschen aus aller Welt aber zum Besuch der Spiele. "Die Spiele
in Paris werden der Welt offen stehen." Paris sei "eine Stadt, die trotz der
chaotischen und unruhigen Zeiten eine Stadt der Hoffnung ist", meinte sie.

Mit dem Sieg des neuen Linksbündnisses bei der Wahl ist zumindest die Sorge
verflogen, dass es zu anhaltenden Krawallen und Unruhen in Frankreich bis hinein
in die Zeit der Olympischen Spiele kommt, die insbesondere bei einem Sieg der
Rechtsnationalen befürchtet wurden. Zwar gab es am Wahlabend Ausschreitungen in
etlichen Städten, danach aber blieb es ruhig. Und dass sich die
Regierungsfindung unter dem Linksbündnis oder als große Koalition verschiedener
bürgerlicher Parteien möglicherweise noch über die Sommerpause bis zum Herbst
hinziehen kann, sieht niemand als eine Beeinträchtigung der Olympischen Spiele
an./evs/DP/mis

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