15.07.2024 19:57:02 - dpa-AFX: ROUNDUP: Frankreichs Linkspartei stoppt Beratung zu Regierungsbildung

PARIS (dpa-AFX) - Das bei der Parlamentswahl in Frankreich siegreiche neue
Linksbündnis steht wegen der Frage, wer bei einer Regierungsübernahme
Premierminister werden könnte, vor einer Zerreißprobe. Im Kräftemessen mit den
Sozialisten über das Bestimmen eines Kandidaten setzte die Linkspartei die
Beratungen über die Bildung einer Regierung aus.

Solange die Sozialisten auf ihren eigenen Kandidaten bestünden und ein Veto
gegen Bewerber der Linkspartei einlegten, blieben die Beratungen über eine
Regierungsbildung ausgesetzt, teilte die Linkspartei La France insoumise mit.
Sie warf den Sozialisten "politische Blockade" vor.

"Genug der Manipulationen", erklärte Linksparteigründer und Anführer
Jean-Luc Mélenchon. Solange man sich nicht auf gemeinsame Kandidaturen für
Spitzenposten im Parlament verständigt habe, werde die Linkspartei "keine
Diskussionen über irgendetwas anderes" wieder aufnehmen.

Mélenchon spekuliert auf Macht

Das Linksbündnis, dem außerdem Grüne und Kommunisten angehören, hatte
eigentlich schon Ende vergangener Woche bestimmen wollen, wer im Falle einer
Regierungsübernahme Premier werden soll. Die Sozialisten benannten als
Kandidaten ihren Parteichef Olivier Faure. Die Linkspartei hat neben anderen
möglichen Kandidaten auch Mélenchon im Auge. Der altlinke Stratege ist vielen
bis in die eigene Partei hinein wegen seiner autokratischen und polemischen Art
aber ein Dorn im Auge.

Nach dem vorläufigen Abbruch der Beratungen durch die Linkspartei teilten
die Sozialisten am Abend mit, sie hätten sich mit Grünen und Kommunisten auf
einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Premierministers geeinigt. Dabei
handele es sich um eine Persönlichkeit aus der Zivilgesellschaft, hinter der
sich die gesamte Linke sammeln könne. Die Persönlichkeit sei auch der
Linkspartei vorgeschlagen worden, und man setze auf eine unverzügliche
Wiederaufnahme der gemeinsamen Beratungen.

Sozialisten, Grüne und Kommunisten für Kandidat aus Zivilgesellschaft

Um wen es sich bei dem Kandidaten aus der Zivilgesellschaft handelt, teilten die Sozialisten nicht mit. Unmittelbar nach der Wahl war etwa vom ehemaligen
Chef der Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, die Rede.

Kurzfristig kann der Streit im Linksbündnis Präsident Emmanuel Macron in die Karten spielen, denn ein zerstrittenes linkes Lager wird er kaum mit der
Regierungsbildung beauftragen. Beobachter vermuten aber auch, dass es bei dem
Streit der linken Parteien schon um die Vorherrschaft bei einer möglicherweise
vorgezogenen Präsidentschaftswahl geht. Angesichts der politischen Krise könnte
Macron sich gezwungen sehen, vor Ende seiner Amtszeit 2027 abzutreten./evs/DP/he

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