Marktinformationen

05.07.2024 14:27:17 - dpa-AFX: ROUNDUP 4: Ampel einigt sich auf Haushalt - Paket für mehr Wachstum

(neu: mehr Details und Hintergrund)

BERLIN (dpa-AFX) - Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich nach langen
Verhandlungen auf einen Bundeshaushalt 2025 und ein Wachstumspaket für
Deutschland geeinigt. Für Eltern wird es eine Erhöhung des Kindergelds um fünf
Euro Anfang kommenden Jahres geben. Der Verteidigungshaushalt soll von rund 52
Milliarden Euro um etwa 1,2 Milliarden Euro wachsen - deutlich weniger als von
Minister Boris Pistorius (SPD) gefordert. Die Regeln für Menschen mit Bürgergeld
sollen verschärft werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte nach einer
vorerst letzten Marathonsitzung der Regierungsspitzen ein: "Wir machen es uns
nicht wirklich immer leicht."

23 Treffen für einen Haushalt

Spekulationen über einen möglichen Koalitionsbruch, die in den vergangenen
Tagen immer lauter geworden waren, hielt Scholz entgegen: "Die Nerven zu
verlieren, hinzuschmeißen, vor der Verantwortung wegzulaufen - dafür hätte ich
als Bundeskanzler keinerlei Verständnis." Deutschland müsse in dieser Zeit ein
Stabilitätsanker in Europa sein. Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP)
und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten sich nach Lindners Angaben
23 Mal für den Haushalt getroffen. Bis gegen fünf Uhr am Morgen brauchte es, um
die Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr zu planen. Der Haushalt muss noch im
Kabinett verabschiedet und im Bundestag beraten werden.

FDP setzt sich bei Schuldenbremse durch

Durchgesetzt hat sich die FDP bei der Schuldenbremse. Die Einigung zum
Haushalt und zum Finanzplan bis 2028 sieht vor, diese einzuhalten. Eine Notlage
soll demnach nicht festgestellt werden. Kommendes Jahr plant die Regierung mit
neuen Schulden in Höhe von 44 Milliarden Euro - im Rahmen der Schuldenbremse,
wie Lindner versicherte. Geplant seien Ausgaben von 481 Milliarden Euro, davon
57 Milliarden Euro Investitionen. Es handle sich "mitnichten" um einen
Sparhaushalt. Es sei jeder Stein im Haushalt umgedreht worden, wo Ausgaben
verringert werden könnten. Für das laufende Jahr ist ein Nachtragshaushalt
geplant. 2024 steige die Nettokreditaufnahme im Rahmen der Schuldenbremse auf
50,5 Milliarden Euro.

Halbes Prozent Wirtschaftswachstum durch Paket

Umfassende Entlastungsschritte sollen die Wirtschaft ankurbeln. Das Paket
soll im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben
Prozent führen können - 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung seien
möglich. So sind beschleunigte Abschreibungen von Investitionen und eine
verbesserte Forschungszulage geplant.

Einen Schwerpunkt legt die Regierung auf Arbeit und Soziales, nachdem die
FDP im Sozialbereich Kürzungen verlangt hatte. Langzeitarbeitslose sollen
künftig einen Bonus bekommen, wenn sie einen regulären Job annehmen, wie Habeck
ankündigte. Umgekehrt werde die Überwachung, dass man angebotene Arbeit auch
annehme, strenger, so Habeck.

Reformen beim Bürgergeld

Lindner kündigte "Reformen beim Bürgergeld" an: Mitwirkungspflichten würden
geschärft. Neue Meldeverpflichtungen für kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung stehende Menschen würden eingeführt: Betroffene sollten sich einmal
monatlich bürokratiearm bei der Bundesagentur für Arbeit melden müssen. Regeln
dafür, welche angebotene Arbeit als zumutbar gelte, würden weiterentwickelt. Die
Karenzzeiten beim Schonvermögen würden zudem halbiert, so Lindner. Heute gelten
im ersten Jahr nach dem erstmaligen Bürgergeld-Antrag erhöhte Freibeträge auf
das Vermögen sowie das Aussetzen von Prüfungen zu Unterkunftskosten.

Habeck kündigte an, dass 100.000 Menschen, die Bürgergeld beziehen, durch
die Maßnahmen die Leistung dann nicht mehr benötigten sollten. Einsparungen in
dreistelliger Millionenhöhe seien dadurch möglich. Arbeitsminister Hubertus Heil
(SPD) betonte, die Treffsicherheit des Sozialstaates steige - soziale Leistungen
schränke die Regierung aber nicht ein. Habeck betonte, die Belebung des
Arbeitsmarkts und das Verkleinern der Fachkräftelücke hätten "das größte
Wachstumspotenzial". Beispielsweise sollten künftig die Ausländerämter nur 14
Tage Zeit haben, einem Antrag eines Ausländers auf Arbeit in Deutschland zu
widersprechen - sonst soll die Arbeitsaufnahme als genehmigt gelten.

Mehr Geld für längeres Arbeiten

Arbeiten über das Rentenalter hinaus solle attraktiver werden, so Lindner.
Betroffene Beschäftigte sollten den Arbeitgeberbeitrag für die
Arbeitslosenversicherung und teils auch für die Rentenversicherung künftig
ausgezahlt bekommen. Für ausländische Fachkräfte werde ein Steuerrabatt in den
ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit in Deutschland gewährt.

Weitere Schwerpunkte, die die Ampel mit ihrer Einigung auf Haushalt und
Wachstumspaket setzen will: Entlastung von Bürokratie, Steuerfreiheit für
Überstunden, Sonderabschreibungen für gewerblich genutzte E-Autos.

Faeser zufrieden mit Sicherheitsausgaben

Zufrieden zeigte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der Schutz
der Menschen in Deutschland werde mit starken Investitionen in die innere
Sicherheit gestärkt. Aus Regierungskreisen hieß es, auch im kommenden Jahr werde
es 1000 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten bei der Bundespolizei geben.
Lindner kündigte rund eine Milliarde Euro mehr als bisher vorgesehen für die
Sicherheitsbehörden an. Auch der Katastrophenschutz, das Technische Hilfswerk
(THW) und der Zoll sollen nach Regierungsangaben besser ausgestattet werden.

Neuer Streit möglich

Bald nach den Haushaltsverhandlungen könnte es jedoch neue
Ampel-Auseinandersetzungen geben. So erwarten die Grünen schwierige
Verhandlungen im Bundestag. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: "Gerade im
Bereich der inneren und äußeren Sicherheit und auch der humanitären Hilfe wird
aus unserer Sicht der Haushalt nicht der Lage im Land gerecht."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte nach einer Sondersitzung seiner
Abgeordneten: "Bis Ende November oder Anfang Dezember werden jetzt die
Mitglieder des Deutschen Bundestages, meine Fraktion, die Einzelpläne, die
einzelnen Dinge bewerten und dann sich genau anschauen, was verändert werden
muss, was wir aber auch mittragen können." Die Erklärung einer Haushaltsnotlage
behalte er sich als Instrument weiter vor.

Scholz wach

Nach der langen Verhandlungsnacht hatte Scholz um 7.03 Uhr seine Fraktion im Reichstagsgebäude mit einem Lächeln begrüßt. "Alle wach?", war zunächst das
Einzige, was Scholz sagte. Mützenich hatte mit der Einladung zu der
Sondersitzung Scholz, Habeck und Lindner unter Druck gesetzt. Ein Hinziehen des
Hickhacks über die Sommerpause sollte verhindert werden. Am 17. Juli soll nun
der Entwurf im Kabinett beschlossen werden./bw/DP/jha

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH