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05.07.2024 17:12:28 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Das bedeutet die Einigung zu Haushalt und Wachstumspaket

BERLIN (dpa-AFX) - Es war wieder einmal eine Marathonverhandlung. Früh am
Morgen aber erzielten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian
Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Durchbruch.
Nach schwierigen Gesprächen steht nun eine Grundsatzeinigung zum Bundeshaushalt
2025. Die Bundesregierung plant außerdem ein Wachstumspaket.

Schuldenbremse wird eingehalten

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll eingehalten werden. Sie
erlaubt in einem begrenzten Umfang neue Schulden. Das ist ein Punktsieg für die
FDP. Sie hat alle Forderungen vor allem der SPD abgewehrt, wegen finanzieller
Belastungen durch den Ukraine-Krieg die Ausnahmeregel bei der Schuldenbremse zu
ziehen.

Entlastungspaket soll Wachstum ankurbeln

In diesem Jahr wird in Deutschland nur ein Mini-Wachstum erwartet.
Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, auch der private Konsum kommt
nicht in Schwung. Die Regierung will gegensteuern und plant umfassende
Entlastungsmaßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das Wachstumspaket könnte
nach Einschätzung der Regierung im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum
von mehr als einem halben Prozent führen, das seien 26 Milliarden Euro
zusätzliche Wirtschaftsleistung.

Das ist für Unternehmen geplant

Es soll beschleunigte Abschreibungen von Investitionen und eine verbesserte
Forschungszulage geben. Außerdem will die Ampel Bürokratie abbauen. In allen
Ministerien sollen verbindlich Praxischecks eingeführt werden. Der Datenschutz
solle "entschlackt" werden, um vor allem kleine Unternehmen zu entlasten. Die
europäische Lieferkettenrichtlinie soll schnell in nationales Recht umgesetzt
werden. Dabei geht es vor allem darum, Berichtspflichten zu verringern, denn ein
deutsches Gesetz gibt es schon.

Das ist für Arbeitnehmer geplant

Anreize für mehr Beschäftigung - das ist angesichts eines zunehmenden
Fachkräftemangels das Ziel der Ampel. Mehr Beschäftigung bedeutet auch: Die
Sozialkassen werden entlastet. Habeck betonte, die Belebung des Arbeitsmarkts
habe "das größte Wachstumspotenzial".

Attraktiver werden soll das Arbeiten über das Rentenalter hinaus. Die
betroffenen Beschäftigten sollten den Arbeitgeberbeitrag für die
Arbeitslosenversicherung und teils auch für die Rentenversicherung künftig
ausgezahlt bekommen. Für ausländische Fachkräfte werde ein Steuerrabatt in den
ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit in Deutschland gewährt.

Steuerfreiheit für Überstunden

Damit sich Überstunden auszahlen, sollen laut Regierung Zuschläge für
Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen,
steuer- und beitragsfrei gestellt werden. Als Vollzeitarbeit gelte dabei für
tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für
nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden. Die
Bundesregierung will zudem einen neuen steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der
Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten schaffen.

Einfachere Arbeitsaufnahme für Ausländer

Ansetzen will die Koalition auch bei ausländischen Arbeitsinteressenten: Die Ausländerämter sollen künftig lediglich 14 Tage Zeit haben, einem Antrag eines
Ausländers auf Arbeit in Deutschland zu widersprechen - sonst soll die
Arbeitsaufnahme als genehmigt gelten.

Das ist für Arbeitslose geplant

Eineinhalb Jahre nach Einführung des Bürgergelds will die Koalition die
Mitwirkungspflichten verschärfen. Wer kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
steht, soll sich einmal monatlich bei der Bundesagentur für Arbeit melden
müssen. Regeln zur Zumutbarkeit angebotener Arbeit sollen weiterentwickelt
werden.

Beim Schonvermögen sollen die Karenzzeiten halbiert werden - heute gelten im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezugs erhöhte Freibeträge auf das Vermögen sowie das
Aussetzen von Prüfungen zu Unterkunftskosten. Wenn Langzeitarbeitslose mit einem
Job aus dem Bürgergeldbezug herauskommen, sollen sie im ersten Jahr aber
deutlich mehr von ihrem Verdienst behalten, ohne dass dies etwa auf das Wohngeld
angerechnet wird.

Das ist für Familien geplant

Der Kindersofortzuschlag für bedürftige Familien im Bürgergeld soll im
kommenden Jahr um fünf Euro erhöht werden. Dieser Betrag soll von bislang 20
Euro dann auf 25 Euro steigen und mit der Einführung der Kindergrundsicherung
auslaufen, wie es in einem Papier heißt, das der dpa vorliegt. Das Kindergeld,
das alle Eltern in Deutschland pro Kind erhalten, steigt der Einigung zufolge
dann auf 255 Euro monatlich.

Änderungen gibt es auch beim Kinderfreibetrag. Der soll, wie aus dem Papier
weiter hervorgeht, noch in diesem Jahr um 228 Euro auf 9540 Euro angehoben
werden. Im kommenden Jahr dann noch mal um 60 Euro auf dann 9600 Euro. Der
Freibetrag wird vom zu versteuernden Einkommen abgezogen und wirkt sich deshalb
für Familien steuermindernd aus.

Steuerliche Entlastungen

Laut Lindner wird es für Bürgerinnen und Bürger in den kommenden zwei Jahren steuerliche Entlastungen in Höhe von insgesamt 23 Milliarden Euro geben. Die
umfassenden Entlastungen sollen durch Erhöhungen von Freibeträgen, Änderungen
bei der Lohn- und Einkommenssteuer sowie Verschiebungen beim
Solidaritätszuschlag ermöglicht werden.

Das ist in der Energiepolitik geplant

Beim Ausbau der erneuerbaren Energie aus Wind und Sonne soll es einen
Systemwechsel geben. Geplant ist eine Umstellung auf eine
Investitionskostenförderung. Bisher erhalten Betreiber eine feste
Einspeisevergütung. Die Bundesregierung machte außerdem den Weg frei für eine
Strategie zum Bau neuer Gaskraftwerke - sie sollen künftig in "Dunkelflauten"
einspringen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Der Staat
will den Bau fördern.

Die milliardenschweren Kosten zur Förderung des Ökostroms, die bisher aus
dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen, sollen künftig aus dem
Kernhaushalt kommen - das entlastet den finanziell angespannten KTF, aus dem
Förderprogramme für Klimaschutz wie der Austausch von Heizungen finanziert
werden. Im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium wurden Kürzungen befürchtet.

Anreize für mehr E-Dienstwagen

Nach dem Stopp der staatlichen Förderung beim Kauf von E-Autos sind die
Neuzulassungen eingebrochen. Die Regierung plant nun steuerliche Anreize, damit
mehr Unternehmen E-Autos als Dienstwagen kaufen.

Keine Kürzung bei Autobahnen

Bei der bundeseigenen Autobahn GmbH soll es keine Einsparungen geben
- das stand im Raum, Verbände hatten vor Verzögerungen bei
Brückensanierungen mit Folgen für Autofahrer gewarnt. Lindner sagte außerdem,
die Bundesregierung prüfe neue Investitionsspielräume bei der Bahn und bei der
Autobahngesellschaft - dabei gehe es um Darlehen.

Nachtragshaushalt geplant

Die Autobahnen bekommen laut Lindner im laufenden Jahr zusätzlich 300
Millionen Euro - das ist ein Grund für einen geplanten Nachtragshaushalt. Dazu
kommen höhere Kosten zur Förderung der erneuerbaren Energien und höhere Ausgaben
beim Bürgergeld. Der Nachtragshaushalt soll ein Volumen von 11 Milliarden Euro
haben. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer als erwartet läuft, lässt
ein Mechanismus in der Schuldenbremse eine größere Nettokreditaufnahme zu.

Eckdaten zum Haushalt 2025

Im kommenden Jahr sind Ausgaben von 481 Milliarden Euro geplant, davon 57
Milliarden Euro an Investitionen. Im Rahmen der Schuldenbremse sollen Schulden
in Höhe von 44 Milliarden Euro gemacht werden.

Ampel verschafft sich Spielräume

Zuletzt gab es in der Etatplanung noch dem Vernehmen nach ein Loch von 10
bis 15 Milliarden Euro, das geschlossen werden musste. Lindner sagte, es sei
jeder Stein im Haushalt umgelegt worden, um Ausgaben zu verringern.

Um den Spardruck auf Ressorts zu mindern, fand die Ampel zudem Wege, um
zusätzlichen Spielraum zu gewinnen, wie es aus Regierungskreisen hieß. Genannt
wurde etwa eine "realistischere Schätzung" von EU-Beiträgen. Dazu kommen zum
Beispiel geringere Zinszahlungen, zudem könnten Verbuchungen einzelner
Haushaltsposten geschoben werden. Die Etatplanung basiert auf vielen Annahmen,
die sich aber ändern könnten
- zum Beispiel, wenn die Konjunktur schlechter läuft und die
Steuereinnahmen geringer ausfallen.

Lindner sprach außerdem von einer globalen Minderausgabe in Höhe von 16
Milliarden Euro. Das sind nicht näher bezifferte Sparvorgaben. Diese
Minderausgabe soll auf 8 Milliarden Euro gedrückt werden - auch dadurch, dass
die Bahn und die Autobahn GmbH in die Lage versetzt werden, Darlehen aufnehmen
zu können.

Haushalt noch lange nicht unter Dach und Fach

Das Kabinett soll Mitte Juli den Haushaltsentwurf beschließen - dann liegen
auch die vielen Details zu den einzelnen Ressorts vor. Mitte September ist die
erste Beratung im Bundestag geplant, beschlossen werden soll der Etat dann im
November oder Dezember - vor allem aus der SPD und von den Grünen kommen aber
schon Forderungen nach Nachbesserungen. Es bleibt also spannend./hoe/DP/jha

--- Von Andreas Hoenig, Basil Wegener und Fatima Abbas, dpa ---

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