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08.07.2024 13:29:13 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Politischer Umbruch in Paris: Linke suchen Premier

(neu: Aktualisiert, Details.)

PARIS (dpa-AFX) - Nach der Niederlage des Mitte-Lagers von Präsident
Emmanuel Macron bei der Parlamentswahl in Frankreich bleibt die bisherige
Regierung um Premierminister Gabriel Attal vorläufig im Amt. Zwar reichte Attal
wie am Sonntagabend angekündigt seinen Rücktritt bei Macron ein. Um die
Stabilität des Landes zu gewährleisten, bat der Staatschef Attal aber, mit
seiner Regierung vorerst im Amt zu bleiben, wie der Élyséepalast in Paris
mitteilte.

Das neue Linksbündnis in Frankreich will sich nach seinem überraschenden
Sieg bei der vorgezogenen Wahl möglichst schnell auf einen Kandidaten für Attals
Nachfolge verständigen. Das kündigten führende Politiker des Zusammenschlusses
aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Linkspartei in Paris an. Das Lager war
ohne Spitzenkandidaten in die vorgezogene Wahl gegangen und einen Favoriten für
das Amt des Premierministers gibt es noch nicht.

Macron kann Premier auswählen

Präsident Macron steht zwar politisch in der Pflicht, einen Premierminister
aus dem größten Lager zu ernennen, das sich zum Regieren bereit sieht. Dem
Vorschlag dieses Lagers muss er aber nicht in jedem Fall folgen und kann auch
einen anderen Vertreter aus dem Lager auswählen.

Das neue Linksbündnis hat die von Macron überraschend angesetzte Wahl nach
dem vorläufigen amtlichen Endergebnis gewonnen. Es folgt Macrons Mitte-Lager auf
dem zweiten Platz. Auf Rang drei liegt das nach der ersten Wahlrunde zunächst
als Favorit gesehene Rassemblement National von Marine Le Pen. Das teilte das
Innenministerium in Paris mit, ohne für alle gewählten Abgeordneten eine
Zuordnung zu einem der großen Lager vorzunehmen.

Linksbündnis klarer Sieger

Zur Bildung der Fraktionen haben die Parlamentarier bis zum 18. Juli Zeit.
Nach Zählung der Zeitung "Le Monde" kommt das Linksbündnis Nouveau Front
Populaire auf 182 Sitze, das Präsidentenlager auf 168 Sitze, das Rassemblement
National (RN) und Verbündete auf 143 Sitze und der gemäßigte Teil der
Républicains, die sich gegen eine Kooperation mit dem RN entschieden, auf 45
Sitze.

Da weder das Linksbündnis noch das Präsidentenlager nach dem Wahlausgang
über eine absolute Mehrheit verfügt, werden viele Bemühungen der beiden Blöcke
und auch von Präsident Emmanuel Macron nun darauf gerichtet sein, mögliche
Allianzen abzuklopfen und einzelne Parlamentarier anderer Gruppen für das eigene
Lager zu gewinnen. Kein Lager hat im Moment aber Aussicht, auf diesem Wege eine
absolute Mehrheit zu schaffen.

Das Linksbündnis will möglichst noch in dieser Woche mitteilen, wer aus
seiner Sicht Premier werden soll. "Wir müssen innerhalb einer Woche in der Lage
sein, eine Kandidatur" für das Amt des Premierministers zu präsentieren, sagte
Sozialistenchef Olivier Faure dem Sender Franceinfo. Es dürfe nicht der Eindruck
entstehen, dass das Linksbündnis nicht in der Lage sei, zu regieren. Über einen
Kandidaten für das Amt des Premiers müsse in dieser Woche entschieden werden,
entweder im Konsens oder über eine Abstimmung unter den zum Linksbündnis
gehörenden Parteien.

Linkspartei sieht Mélenchon noch im Rennen

Auch die bisherige Fraktionschefin von Frankreichs Linkspartei, Mathilde
Panot, sagte dem Sender RTL, das Linksbündnis werde in dieser Woche einen
Premierminister und eine Regierung präsentieren. Der wegen seines polemischen
Auftretens umstrittene Gründer der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, ist aus
Panots Sicht dabei weiterhin im Rennen. Mélenchon habe der Linken erst wieder
das Siegen beigebracht und habe die Formierung eines Linksbündnisses vor der
Parlamentswahl 2022 und auch jetzt erst möglich gemacht.

Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier plädierte im Interview des Sender
France Inter für einen Konsens, was die Frage des Premiers angeht, statt eines
Kräftemessens zwischen den verschiedenen Parteien. Wichtiger noch als die Frage,
wer die Regierung leiten solle, sei die Frage, welche Politik ein künftiger
Premierminister umsetzen wolle.

Große Koalition oder Minderheitsregierung?

Frankreichs gespaltene Linke hatte sich erst vor wenigen Wochen für die Wahl zum Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen. Bei der Europawahl Anfang Juni
waren die Parteien noch einzeln angetreten. Streit gibt es innerhalb der Linken
vor allem über die altlinke Führungsikone Mélenchon. Der Populist, der mit
euroskeptischen Aussagen auffällt und einen klar propalästinensischen Kurs
fährt, wird selbst in seiner Partei heftig kritisiert. Eine klare Führung hat
das Bündnis aus Linken, Kommunisten, Sozialisten und Grünen nicht. Auch ein
gemeinsames Programm gibt es nicht.

Wie es weitergeht, ist vorerst unklar. Ob die Linken alleine eine
Minderheitsregierung auf die Beine stellen können, ist ungewiss. Die anderen
Fraktionen könnten eine solche Regierung per Misstrauensvotum stürzen. Die
Linken könnten auch versuchen, von den Mitte-Kräften Unterstützung zu bekommen -
entweder als eine Minderheitsregierung mit Duldung oder in einer Art Großen
Koalition. Angesichts der gegensätzlichen politischen Ausrichtungen ist
allerdings nicht abzusehen, ob dies gelingen könnte.

Sollte keines der Lager eine Regierungsmehrheit finden, könnte die aktuelle
Regierung übergangsweise die Amtsgeschäfte führen oder eine Expertenregierung
eingesetzt werden. Frankreich droht in einem solchen Szenario politischer
Stillstand. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und eine Neuwahl
wären erst im Juli 2025 wieder möglich./evs/DP/men

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