15.05.2024 10:12:26 - dpa-AFX: Sport kooperiert mit Tiktok: Umstritten, aber bringt 'Reichweite'

FRANKFURT (dpa-AFX) - Es sind nur kurze Videoschnipsel wie der Kuss von
Basketball-Star Dennis Schröder und seiner Frau nach dem gewonnenen WM-Titel im
vergangenen Jahr, die von Zehntausenden Menschen auf der Online-Plattform Tiktok
geklickt und gesehen werden. Ähnliche Clips von deutschen Sportlern wird es auch
wieder bei der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Spielen in Paris
geben - nicht nur, aber auch auf Tiktok.

Längst haben der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und das deutsche Olympia-Team
die Reichweite und das Potenzial von Tiktok erkannt. Der DFB und das Team D sind
vor einigen Wochen sogar Partnerschaften unter anderem für die Heim-EM und
Olympia eingegangen, um den Fans auf dem Portal zum Beispiel persönliche
Einblicke zu gewähren. "Tiktok ermöglicht es uns, Reichweite und Engagement zu
generieren und eine enge Beziehung zur Community aufzubauen", teilte der DFB
mit.

Vor allem die sogenannte Generation Z - Menschen, die von den späten 1990er
Jahren bis etwa 2010 geboren wurden - möchte man ansprechen. "Da nahezu alle
Jugendlichen diese Plattform nutzen, sehen wir es als unabdingbar an, hier
präsent zu sein, um diese Zielgruppe für den Fußball zu begeistern", hieß es vom
DFB. Aus Sicht des Team D geht es darum, "die Begeisterung für den olympischen
und paralympischen Sport noch nahbarer und erlebbarer für die Fans zu machen".
Es gehe bei der Partnerschaft um Aufmerksamkeit und Reichweite, erklärte der
Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). "Geld fließt dagegen nicht."

Tiktok steht in der Kritik

Doch Tiktok ist nicht nur populär, sondern auch umstritten, weil es von
Kritikern als chinesische Firma angesehen wird. Laut einem US-Gesetz hat der
aktuelle Besitzer Bytedance rund ein Jahr Zeit, sich von Tiktok zu trennen,
bevor die App aus App-Stores in den USA verbannt wird. Zur Begründung wird auf
das Risiko verwiesen, dass China sich Zugriff auf Daten von Amerikanern
verschaffen und politischen Einfluss ausüben könnte. Das Unternehmen wiederum
betont, zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren zu sein und den Firmensitz
auf den Cayman-Inseln in der Karibik zu haben. Allerdings hat Bytedance eine
große Zentrale in Peking, und die chinesischen Gründer spielen eine wichtige
Rolle.

Aus manchen Reihen der Politik hatte es für den DFB wegen der
Medienpartnerschaft mit Tiktok Kritik gegeben. "Das Bundesamt für
Verfassungsschutz sieht erhebliche Sicherheitsrisiken bei der Nutzung von TikTok
und gleichzeitig wirbt die Fußballnationalmannschaft für die App", hatte
Reinhard Brandl (CSU), Digitalexperte der Unionsfraktion, dem "Tagesspiegel"
gesagt. Und der Sicherheitsexperte und Vize-Fraktionschef der Grünen, Konstantin
von Notz, mahnte: "Dem DFB kommt hier zweifellos eine große Verantwortung und
auch Vorbildfunktion zu."

Allerdings postet nicht nur der deutsche Sport fleißig Beiträge auf Tiktok,
sondern auch die Politik - darunter CSU und Grüne sowie ihre Spitzenpolitiker
wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck (Grüne), die eigene Kanäle auf der Plattform haben.

Tiktok-Kooperation als Chance für Randsportarten

Der DFB entgegnete der Kritik und betonte, dass man sich "intensiv mit
potenziellen Partnern im Vorfeld" auseinandersetze. Tiktok habe sich einem
umfassenden sogenannten Due-Diligence-Prozess unterzogen. Kurz übersetzt: Eine
mögliche Partnerschaft wurde sorgfältig überprüft. "Dies bildet die Grundlage
für unsere Vertragsgespräche", hieß es.

Christoph Bertling vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an
der Deutschen Sporthochschule in Köln sagte zwar, dass Tiktok "als
intransparente Datenkrake" mit Vorsicht zu genießen sei. Eine öffentliche
Empörung sieht er jedoch als gering an. "Immerhin gibt es zahlreiche
Kooperationen und Verflechtungen mit Tiktok seitens Unternehmen und öffentlichen
Institutionen. Dies ist meines Erachtens - wie in den USA - wenn überhaupt eine
übergeordnete politische Debatte."

Vor allem Randsportarten können durch Tiktok an Aufmerksamkeit gewinnen, wie Bertling erklärte. "Randsportarten leiden meist darunter, dass viele Menschen
wenig über diese Sportarten und deren Akteure wissen. Durch kleine
Kommunikationsschnipsel kann ein grundlegendes Interesse - gerade in jüngeren
Zielgruppen - aktiviert werden. Über kleine Geschichten, Bildstorys können
Menschen immer weiter in die Sportart kommunikativ reingezogen werden." Kleine
Geschichten eben wie der Kuss von Dennis Schröder und seiner Frau./cjo/DP/zb

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