23.05.2024 20:56:29 - dpa-AFX: ROUNDUP/Thyssenkrupp-Stahl: Aufsichtsrat stimmt Einstieg von Energiefirma zu

ESSEN (dpa-AFX) - Der Aufsichtsrat des Industriekonzerns Thyssenkrupp
hat am Donnerstag einer 20-Prozent-Beteiligung des
Energieunternehmens EPCG an der Stahlsparte zugestimmt. Die Entscheidung wurde
mit dem Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden gegen die Stimmen der
Arbeitnehmervertreter getroffen, wie Thyssenkrupp mitteilte. Über den Einstieg
hatte der Vorstand Ende April eine grundsätzliche Einigung mit EPCG erzielt.

Die EPCG-Holding gehört dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky. Bei
der strategischen Partnerschaft soll es vor allem um Energielieferungen gehen.
Unter anderem gehören ihm in Ostdeutschland ganz oder in Teilen die
Braunkohlekonzerne Mibrag und Leag, die künftig verstärkt klimaneutral erzeugten
Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen wollen. Auch der größte Stromproduzent
der Slowakei, Slovenske elektrarny, gehört zu seinem Firmenkonglomerat.
Kretinsky ist auch größter Anteilseigner des Großhändlers Metro. Der EPCG-Anteil
soll in Zukunft auf 50 Prozent gesteigert werden und die Stahlsparte dabei
verselbstständigt werden.

Die Thyssenkrupp-Stahlsparte ist Deutschlands größtes Stahlunternehmen. Dort arbeiten rund 27 000 Menschen, davon allein 13 000 in Duisburg. Die
Produktionskapazitäten in Duisburg sollen vor dem Hintergrund von
Konjunkturschwäche und hohen Energiekosten deutlich reduziert werden, was mit
einem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sein wird. Einzelheiten dazu sind aber
noch offen.

IG Metall: Risiken des Verkaufs sind völlig ungeklärt

Die IG Metall äußerte sich entsetzt über den Beschluss des Aufsichtsrats.
Die durch den Verkauf entstehenden Risiken seien völlig ungeklärt, erklärte der
Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner. Er ist auch stellvertretender
Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp AG. "Der Stahlvorstand arbeitet
gerade an einem Restrukturierungskonzept, dem wahrscheinlich Tausende
Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen." Für die Restrukturierung würden
Milliardensummen fällig. "Die Thyssenkrupp AG entledigt sich ihrer Verantwortung
für die Beschäftigten, noch bevor der Plan für den Stahlbereich überhaupt
vorliegt."

Die Arbeitnehmerseite begrüße ausdrücklich die Bereitschaft von EPCG, sich
beim Stahl zu engagieren, so Kerner weiter. "Wir verstehen auch, dass Herr
Kretinsky Einblick in die Erarbeitung des neuen Planes erhalten möchte." Dafür
sei aber weder ein übereiltes Vorgehen noch eine sofortige
20-Prozent-Beteiligung nötig. "Vielmehr wäre jetzt Besonnenheit und Klarheit
gefragt." Stattdessen herrsche wilder Aktionismus, um den Stahlbereich in die
Eigenständigkeit zu schicken. "Das wird auf unseren erbitterten Widerstand
stoßen", sagte er weiter.

Thyssenkrupp: Strategische Partnerschaft ist bedeutender Schritt

Thyssenkrupp äußerte sich hingegen zuversichtlich. "Der Einstieg von EPCG
verbindet das führende Werkstoff-Knowhow von Thyssenkrupp Steel Europe mit der
Energieexpertise von EPCG", hieß es. Der Abschluss der Transaktion ist noch im
laufenden Geschäftsjahr vorgesehen. "Die strategische Partnerschaft mit EPCG ist
ein bedeutender Schritt zur Sicherung einer resilienten, kosteneffizienten und
klimaschonenden Stahlproduktion von Thyssenkrupp Steel - und damit auch ein
wesentlicher Beitrag zur Sicherung der Stahlindustrie in Deutschland", teilte
das Unternehmen weiter mit.

Vor der Sitzung hatten am Mittag mehrere Tausend Beschäftigte für mehr
Mitsprache und Transparenz bei wichtigen Unternehmensentscheidungen
demonstriert. Die IG Metall kritisierte, bislang zu wenig über den geplanten
Einstieg von EPCG zu wissen, um dem im Aufsichtsrat zustimmen zu können. "Ein
Umbau der Thyssenkrupp AG gegen die Menschen wird nicht gelingen", sagte der
Konzernbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol. Es müsse Schluss sein "mit dem
Kurs gegen die Mitbestimmung".

López: Weiterhin keine betriebsbedingten Kündigungen

Bei der Kundgebung sprach auch Konzernchef Miguel López. "Wir wollen in
konstruktiver Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen sozialverträgliche
Lösungen schaffen", sagte López. "Es soll auch weiterhin keine betriebsbedingten
Kündigungen geben. Aber wir müssen handeln, damit Stahl aus Duisburg auch
weiterhin eine Perspektive hat." Während der Rede von López gab es zahlreiche
Zwischenrufe./tob/DP/he
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
THYSSENKRUPP AG O.N. 750000 Frankfurt 4,210 14.06.24 20:09:23 +0,096 +2,33% 0,000 0,000 4,159 4,210

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