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16.07.2024 17:04:31 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 3: Faeser verbietet rechtsextremes 'Compact'-Magazin

(durchgehend aktualisiert)

BERLIN/FALKENSEE (dpa-AFX) - Das vom Verfassungsschutz als
rechtsextremistisch eingestufte "Compact"-Magazin darf nicht mehr erscheinen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat das Medienunternehmen sowie die
Conspect Film GmbH verboten. Nach Angaben ihres Ministeriums haben insgesamt 339
Einsatzkräfte Räumlichkeiten der Organisation durchsucht sowie Wohnungen
führender Akteure, der Geschäftsführung und von Anteilseignern in Brandenburg,
Hessen, im sächsischen Pirna und in Sachsen-Anhalt. Insgesamt waren es den
Angaben zufolge 14 Objekte, die auf richterliche Anordnung durchsucht wurden.

Ziel der Razzia sei die Beschlagnahmung von Vermögenswerten und
Beweismitteln, hieß es in einer Mitteilung. Unter anderem wurde ein Haus im
brandenburgischen Falkensee durchsucht, dessen Adresse im Impressum des Magazins
genannt wird. Polizeibeamte trugen hier Exemplare des Magazins sowie technische
Geräte aus dem Gebäude. Beschlagnahmt wurden laut Bundesinnenministerium (BMI)
auch Bargeld, Gold, Merchandising-Artikel, Bühnentechnik, Fahrzeuge sowie
Kontounterlagen. Die Webseiten von "Compact" wurden gesperrt.

"Compact"-Chefredakteur Jürgen Elsässer sprach von einem ungeheuerlichen
Eingriff in die Pressefreiheit und sagte vor Reportern: "Was wir heute in der
BRD haben, ist ein undemokratisches Regime, wie es das SED-Regime war."

Faeser begründet das Verbot damit, dass "Compact" ein "zentrales Sprachrohr
der rechtsextremistischen Szene" sei. Sie sagt: "Dieses Magazin hetzt auf
unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit
Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie." Das Verbot
zeige, "dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima
von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren
demokratischen Staat überwinden wollen".

"Demokratiefeindliche Positionen"

Schon 2022 urteilte der Verfassungsschutz, das von Chefredakteur Elsässer
geleitete Magazin trage "als multimediales Unternehmen demokratiefeindliche und
menschenwürdewidrige Positionen in die Gesellschaft". Die führenden Akteure des
Magazins unterhalten Kontakte zu wichtigen Akteuren der sogenannten Neuen
Rechten.

Im Online-Shop von "Compact" konnte man zuletzt unter anderem auch eine
Münze mit dem Konterfei des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke
erwerben. Elsässer bringt seine Zuhörer bei Veranstaltungen mit Sprüchen wie
"Ami go home und Freundschaft mit Russland" zum Johlen. Der AfD-Spitzenkandidat
bei der Europawahl, Maximilian Krah, der nach mehreren Skandalen parteiintern in
der Kritik steht, wurde von "Compact" als "Patriot" und "Agent des Volkes" auf
den Titel gehoben.

Für das Verbot einer Organisation reicht es nicht, wenn diese eine
verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Weitere Voraussetzung ist, dass sie dies
auch in aggressiv-kämpferischer Form tut. Das BMI führte in seiner Mitteilung
aus, es sei zu befürchten, dass Leser und Zuschauer der Medienprodukte von
"Compact" durch die Publikationen, die auch "offensiv den Sturz der politischen
Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige
Ordnung animiert werden".

Außerdem attestiert das Ministerium dem Medienunternehmen ein
"völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept" und verweist auf dessen
"Widerstands- und Revolutionsrhetorik".

Kritik an Faeser von der AfD - Zuspruch von den Grünen

Die Co-Vorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla und Alice Weidel, schrieben in
einer gemeinsamen Mitteilung: "Wir beobachten diese Vorgänge mit großer Sorge."
Das Verbot sei "ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit". Zuspruch erhielt
Faeser unter anderem von den Grünen.

Der Parteivorsitzende Omid Nouripour schrieb auf der Plattform X: "Es ist
absolut richtig, dass das BMI dieses antisemitische und rassistische Medium
verbietet." Medienstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte: "Die
Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie und umfasst völlig zu
Recht einen großen Schutzbereich." Wenn sie allerdings dafür missbraucht werde,
in einer aggressiv-kämpferischen Weise gegen die freiheitlich-demokratische
Grundordnung vorzugehen, noch dazu in einer aggressiv-kämpferischen Weise, seien
ganz klar Grenzen überschritten.

Zustimmung kam auch aus der Unionsfraktion. Fraktionsvize Andrea Lindholz
(CSU) sagte dem "Nordkurier": "Ein Medium, in dem Monat für Monat gegen die
parlamentarische Demokratie agitiert und Hass auf Minderheiten geschürt wird,
ist in Deutschland nicht akzeptabel." Es wäre falsch, das Verbot in irgendeiner
Weise mit Zensur in Verbindung zu bringen.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) kommentierte: "Der erfolgreiche
Schlag gegen dieses verfassungsfeindliche Medium der Neuen Rechten ist ein
klares Signal des Rechtsstaats an seine Feinde."

Im vergangenen Jahr waren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und
Außenministerin Annalena Baerbock kurz hintereinander im Bürgermeisterwahlkampf
in Falkenberg zu Gast, wo jetzt der Schwerpunkt der Durchsuchungen war. Scholz
wurde bei dem Europafest im Juni 2023 angeschrien und ausgebuht. Eine Gruppe
rief laut "Kriegstreiber", "Frieden schaffen ohne Waffen" und "Hau ab!".

Elsässer hat in dem Ort allerdings nicht nur Freunde. Ein Anwohner sagte
einem Reporter während der Razzia, er wolle mit dem Verlag und seinen Vertretern
nichts zu tun haben./abc/DP/nas

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