05.07.2024 13:16:17 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Reaktion auf Auto-Zölle: China prüft EU-Brandy-Importe

(neu: mehr Details und Hintergrund)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - China prüft im Handelsstreit mit Brüssel Gegenmaßnahmen. Nach der Einführung vorläufiger zusätzlicher EU-Strafzölle auf chinesische
Elektroautos nimmt Peking Einfuhren europäischen Branntweins unter die Lupe. In
einer laufenden Anti-Dumping-Untersuchung von Brandy aus der Europäischen Union
will China heimische Firmen anhören, wie das Handelsministerium mitteilte.

Bei einem Treffen am 18. Juli soll über möglichen Schaden für die
chinesische Industrie gesprochen werden. Maßnahmen Pekings könnten vor allem
Hersteller aus Frankreich treffen. Was hingegen auf europäische Verbraucher
zukommt, ist unklar. Große Wirtschaftsinstitute sehen zumindest auf lange Sicht
keine großen Auswirkungen.

Institute: E-Auto-Preise dürften sich nicht dramatisch ändern

Nach Simulationen eines Handelsmodells des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft (IfW) und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung
(Wifo) dürften die Preise von E-Autos durch die tatsächliche Einführung von
Sonderzöllen langfristig nur wenig beeinflusst werden. Demnach könnten in der EU
die Preise um durchschnittlich 0,3 bis 0,9 Prozent steigen und in China sinken.
Kurzfristig könnten die Zölle aber größere Auswirkungen auf den Markt haben.

Die Industrie befürchtet hingegen Nachteile für den deutschen Markt, wie der Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas
Peckruhn, gestern sagte: "Für die Verbraucherinnen und Verbraucher werden
dadurch die zur Verfügung stehenden Elektrofahrzeuge deutlich teurer, zumal der
Wettbewerbsdruck für europäische Hersteller abnimmt."

Branntwein-Untersuchungen laufen schon länger

China ermittelt seit dem 5. Januar gegen aus der EU importierten Branntwein. Diese Ermittlungen und solche gegen Schweinefleisch und Schweinefleischprodukte
aus der EU gelten als Reaktion Pekings auf Untersuchungen in Brüssel gegen
E-Autos.

Bei Anti-Dumping-Ermittlungen steht der Vorwurf im Raum, dass die
untersuchten Produkte zu künstlich niedrigeren Preisen als auf dem jeweiligen
Markt üblich angeboten werden. Mehrere Erzeuger und Industrieverbände hätten die
Anhörung beantragt. Das chinesische Handelsministerium ließ sie nach eigenen
Angaben zu, um Fairness in dem Verfahren zu wahren.

EU-Kommission sicher: Es gibt unfaire chinesische Subventionen

Nach einer aufwendigen Untersuchung war die EU-Kommission zu dem Schluss
gekommen: Es gibt unfaire chinesische Subventionen. Die vorläufigen Zölle der
EU-Behörde belaufen sich nun auf 17,4 Prozent für den Hersteller BYD, 19,9
Prozent für Geely und 37,6 Prozent für SAIC. Für andere Firmen sind 20,8 Prozent
vorgesehen, und für Unternehmen, die bei der Untersuchung nicht kooperiert
hatten, würde ein Strafzoll in Höhe von 37,6 Prozent fällig. Die Zölle kommen
auf einen bereits bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu.

Dabei ist die Maßnahme nicht unumstritten. Sowohl die deutsche Autoindustrie als auch die Bundesregierung sehen Strafzölle skeptisch. Sie sorgen sich, dass
Vergeltungsmaßnahmen vor allem deutsche Autohersteller treffen könnten, für die
China ein sehr wichtiger Markt ist. Zudem sind deutsche Firmen auch von den
EU-Maßnahmen selbst betroffen, da sie in China Autos für den Export bauen.

Abstimmung über endgültige Zölle

Solange keine endgültige Einführung der EU-Strafzölle beschlossen wird,
müssen diese noch nicht gezahlt, sondern nur Sicherheitsleistungen hinterlegt
werden. Sollten Verhandlungen mit China nicht zufriedenstellend verlaufen,
könnte die EU-Kommission einen Vorschlag für die Einführung von Strafzöllen
vorlegen. Die EU-Staaten könnten diese nur stoppen, wenn sich eine sogenannte
qualifizierte Mehrheit dagegen ausspricht.

Brüssel und Peking verhandlungsbereit

Grundsätzlich sind China und die EU-Kommission bereit, in den kommenden vier Monaten, bis die Maßnahmen endgültig eingeführt werden, zu einer Lösung zu
kommen. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte vor knapp zwei Wochen in China
verhandelt, jedoch keinen Durchbruch erzielt. Dennoch sieht die EU-Kommission
weiter eine Chance für eine Lösung, auch wenn es anscheinend noch
unterschiedliche Ansichten in Brüssel und Peking zu den Ergebnissen der
Kommissionsuntersuchung gibt.

Ob die Vorgehensweise der Kommission rechtlich haltbar ist, darüber gibt es
unterschiedliche Ansichten. Während der Automobilexperte Florian Dudenhöffer
"ntv.de" sagte, er halte die Sonderzölle für angreifbar und sei davon überzeugt,
dass Peking eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) einreichen werde,
begrüßt Anna Cavazzini, die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im
EU-Parlament, die Maßnahme. Zölle seien "keine politische Drohgebärde", sondern
ein WTO-konformes Instrument zur Sicherung des fairen Wettbewerbs, so die
Grünen-Politikerin.

Viele Märkte gehen stärker gegen China vor

Dabei sind die EU-Zölle teils deutlich niedriger als etwa die der USA. Auch
andere Staaten gehen hart gegen die Importe aus Fernost vor. China ist zwar der
größte Automarkt der Welt - aber für Peking selbst sind dadurch viele Märkte
bereits kostspieliger geworden. Die Vereinigten Staaten hatten im Mai
Sonderzölle von 100 Prozent auf E-Autos verhängt, was den Markt für Importe aus
China regelrecht versperrt.

"Die Amerikaner schotten ihren Markt jetzt ab, ebenso Brasilien, Mexiko und
die Türkei", sagte jüngst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland. Somit bleibt Europa vorerst für chinesische
Firmen ein attraktiver Markt. Das zeigt sich auch daran, dass chinesische Firmen
derzeit großangelegt die Fußballeuropameisterschaft sponsern./scr/DP/jha

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