27.06.2024 14:00:07 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP/Polizeibeauftragter: Meldungen zu Racial Profiling und Sexismus

BERLIN (dpa-AFX) - Den Bundespolizeibeauftragten haben in seinen ersten 100
Tagen im Amt etliche Beschwerden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Polizei erreicht, bei denen es um Burnout-Erkrankungen, Sexismus oder
Chauvinismus in der Polizei ging. "Sexismus gegenüber Frauen ist der absolute
Großteil, aber es betrifft eben auch Männer", sagte Uli Grötsch am Donnerstag
bei der Vorstellung einer ersten Zwischenbilanz. Eine Überprüfung wolle er zu
Eingaben aus einer Einheit der Bundespolizei einleiten, aus der Hinweise auf
eine außergewöhnliche Belastung aufgrund wiederkehrender Dienste an
bundesdeutschen Außengrenzen, fernab der Heimatdienststelle, an ihn
herangetragen worden seien.

Zu den Themen, die von Bürgerinnen und Bürgern am häufigsten adressiert
würden, gehörten Fälle von vermutetem Racial Profiling sowie der Gebrauch von
Schusswaffen durch Polizeibeamte gegenüber verhaltensauffälligen und aggressiven
Tatverdächtigen. Auch wenn es laut Grötsch bei den angesprochenen Vorfällen
jeweils um die Landespolizei ging, sei es generell wichtig, Handlungssicherheit
von Polizistinnen und Polizisten beim Kontakt zu psychisch erkrankten oder
verhaltensauffälligen Menschen zu erreichen. Hierfür sei eine Sensibilisierung
für das Thema durch vermehrte Schulungen notwendig, heißt es in der ersten
Bilanz des neuen Beauftragten.

Anlaufstelle für Bürger und Polizisten

Im Januar hatte das Parlament mit den Stimmen der Ampel-Koalition und der
Linken die gesetzliche Grundlage für das Amt des Polizeibeauftragten geschaffen.
Es soll Polizisten und Bürgern gleichermaßen als Anlaufstelle dienen, um
Fehlverhalten oder mögliche strukturelle Missstände anzuzeigen. Anonyme Eingaben
nimmt der Beauftragte nicht entgegen. Außerdem darf der jeweilige Sachverhalt
nicht länger als ein halbes Jahr zurückliegen.

Die Zuständigkeit des für fünf Jahre gewählten Bundespolizeibeauftragten
beschränkt sich auf Bundespolizei, Bundeskriminalamt und die Polizei beim
Deutschen Bundestag. Ansonsten sind die Bundesländer für die Polizei zuständig,
weshalb es deutschlandweit schon mehrere Landespolizeibeauftragte gibt.

Von "Racial Profiling" spricht man, wenn Menschen allein aufgrund ihres
physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale von der Polizei
kontrolliert werden. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen das
verfassungsrechtlich verbriefte Diskriminierungsverbot.

Wer wird an der Grenze kontrolliert und wer nicht?

Ein Reisender habe von gezielten Kontrollen von Menschen mit nichtweißer
Hautfarbe oder nach sonstigen äußerlichen Merkmalen in einem
grenzüberschreitenden Zug berichtet, heißt es in dem Bericht des Beauftragten.
Mangels Zuständigkeit werde er eine andere Beschwerde eines Mannes aus Tunesien
über das Verhalten von Beamten einer Landespolizei an die zuständige Bürger- und
Polizeibeauftragte weiterleiten, teilte der Beauftragte weiter mit.

Der Betroffene hatte sich laut Grötsch beschwert, weil ihn ein Polizist bei
einer Verkehrskontrolle und einem negativen Alkoholtest aufgefordert haben soll,
eine Urinprobe direkt auf der Straße abzugeben. Als er dies abgelehnt habe, sei
er für eine Blutprobe festgenommen worden, berichtete er dem Beauftragten. Auf
dem Weg zur Polizeiwache habe ihn der Polizist dann nach seinem Gehalt und dem
seiner Frau gefragt.

Laut einer weiteren Eingabe soll der Einsatzleiter einer Polizeidienststelle im Beisein des Betroffenen seine Kollegin gefragt haben: "Kann der überhaupt
deutsch?" Der Einsatzleiter habe "im Beisein vieler anderer Polizeibeamter seine
Macht demonstriert und alle anderen Polizeibeamten hätten zugeschaut und sich
amüsiert".

Kaum Verdachtsfälle zu Rechtsextremismus

Zwei Eingaben zu Verdachtsfällen, die Rechtsextremismus betreffen, würden
aktuell noch untersucht, sagte Grötsch, der vor seiner Vereidigung
SPD-Bundestagsabgeordneter und früher Polizist in Bayern war. In einem Fall habe
eine Parlamentarierin die Vermutung geäußert, ein Bundespolizist gehöre einer
rechtsextremistischen Gruppierung an. In dem zweiten Fall gehe es um die
Auswertung eines Fotos, auf dem eine Tätowierung zu sehen sei, bei der es sich
um ein rechtsextremes Symbol handeln könnte. Hier sei aber noch nicht klar, ob
der Tätowierte tatsächlich, wie vermutet, Bundespolizist ist.

Insgesamt hat Grötsch bislang 24 Eingaben von Beschäftigten der
Polizeibehörden sowie 109 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern entgegengenommen.
Der Beauftragte hat in den vergangenen Monaten zudem mehrere
Polizeidienststellen besucht sowie mit Einsatzkräften der Bundespolizei
gesprochen, die im Umfeld der Fußball-EM für Sicherheit sorgten. Generell gelte,
wer im Einsatz immer wieder übelst beschimpft werde, brauche "ein dickes Fell,
damit das nichts mit ihm macht auf Dauer". Deshalb sei eine kontinuierliche
Begleitung von Polizeikräften nach schwierigen Einsätzen, etwa auch schweren
Unfällen mit Kindern an Bahnhöfen, wichtig, sagte Grötsch./abc/DP/tih

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