31.08.2023 13:12:57 - dpa-AFX: ANALYSE/Schenker-Verkauf im Fokus: Bernstein sieht mehrere potenzielle Käufer

FRANKFURT (dpa-AFX) - Neben Rezessionsrisiken, Lieferketten und Frachtkosten
gibt es in der europäischen Logistikbranche momentan vor allem ein großes Thema:
den Verkauf von DB Schenker. Nach Ansicht von Alex Irving vom US-Analysehaus
Bernstein lautet die am heißesten diskutierte Frage, wer sich am möglichen
Bieterrennen um die Logistiktochter der Deutschen Bahn beteiligen könnte.

Während sich der Markt vor allem auf den dänischen Transportlogistiker DSV
und die deutsche DHL Group fokussiere, gebe es
noch mehr mögliche Kaufinteressenten, schrieb Irving in einer am Donnerstag
vorliegenden Studie. Auch die Mehrheitsaktionäre von Kühne+Nagel könnten seiner
Meinung nach eine Offerte erwägen, ebenso wie Reedereien, deren Kassen nach dem
Pandemie-Boom prall gefüllt seien.

Die Deutsche Bahn prüft seit Ende 2022 "ergebnisoffen" einen möglichen
Verkauf von bis zu 100 Prozent der Anteile an DB Schenker. "Diese Prüfung läuft
und braucht, wie üblich in solchen Prozessen, ausreichend Zeit", sagte eine
Sprecherin am Donnerstag. Es gebe kein konkretes Zieldatum.

Nach Abschluss der Prüfung will die Bahn entscheiden, ob und gegebenenfalls
wann sie den Verkaufsprozess einleitet. Dies sei "natürlich auch abhängig vom
Umfeld am Kapitalmarkt", sagte die Sprecherin. Bis jetzt sei keine Entscheidung
dazu getroffen worden.

Sollte es zu einer Auktion kommen, sieht Bernstein-Analyst Irving den
dänischen Transportlogistiker DSV als aussichtsreichsten Kandidaten. Dessen
Erfolgsbilanz bei Fusionen und Übernahmen sei makellos: fünf Transaktionen mit
hohem Wertzuwachs in den vergangenen 20 Jahren. Er hat die DSV-Aktie weiter auf
"Outperform" eingestuft mit einem Kursziel von 1440 dänischen Kronen. Derzeit
wird das Papier um die 1330 Kronen gehandelt.

Neben den Dänen gilt am Markt vor allem DHL als Favorit. Irving sieht das
allerdings kritisch: Schenker sei zwar strategisch interessant für DHL, aber das
Umsetzungsrisiko hoch. Er merkt an, dass der Konzern seit fast zwei Jahrzehnten
keine großen Übernahmen mehr durchgeführt hat. Das DHL-Geschäft sei nicht für
groß angelegte Integrationen ausgelegt, schrieb er. Er empfiehlt den Bonnern
deshalb, von Deal abzusehen.

Allerdings könne er auch nicht ausschließen, dass DHL der Politik als
"weißer Ritter" beispringt. Die Bundesregierung hält über die KfW gut ein
Fünftel an dem Konzern. Die DHL-Aktie stuft Irving weiter auf "Market-Perform"
ein. Sein Kursziel von 43,50 Euro liegt praktisch auf dem aktuellen Kursniveau.

Neben den beiden Branchenriesen gibt es für Irving allerdings noch weitere
aussichtsreiche Kandidaten bei einem potenziellen Verkauf von Schenker.
Kühne+Nagel will er nicht vernachlässigt wissen. Ähnlich wie DHL
sei das Schweizer Unternehmen zwar nicht für große Integrationen gemacht.
Andererseits sei die kulturelle Ähnlichkeit zwischen Schenker und Kühne+Nagel
groß.

Zudem könnte Großaktionär Klaus-Michael Kühne nach Einschätzung Irvings eine strategische Übernahme von Schenker vorantreiben, damit das Unternehmen nicht in
die Hand von DSV fällt. Kühne habe dazu die Mittel, schrieb der Analyst.
Allerdings dürften klassische Spediteure den Wert von Schenker höher bemessen.
Die Aktie von Kühne und Nagel sieht er unverändert bei "Outperform" und einem
Kursziel von 300 Schweizer Franken, während das Papier derzeit um die 275
Franken gehandelt wird.

Außerdem hält Irving Reedereien für mögliche Interessenten. Dank der
himmelhohen Frachtraten während der Pandemie schwämmen die Unternehmen momentan
im Geld, so der Analyst. Beim genaueren Hinsehen hält er das französische
Schifffahrtsunternehmen CMA CGM angesichts einer bereits eingetüteten
milliardenschweren Übernahme dann doch für eher unwahrscheinlich. Es sei
fraglich, ob der Konzern zwei Mega-Deals stemmen könne.

Und gegen Moller-Maersk spricht Irving zufolge die
Unternehmensstruktur, die eine Übernahme schwierig machen könnte. Die Dänen
haben ihr Logistikgeschäft in die eigene Schifffahrtslinie integriert.
Seefracht-Sendungen werden ausschließlich auf Maersk-Schiffen transportiert.
Statt Schenker zu kaufen, böte sich bei Moller-Maersk eher organisches Wachstum
an oder Übernahmen, die besser zum eigenen Geschäft passten.

Ein Verkauf von Schenker solle nur geschehen, wenn er "finanziell
vorteilhaft im Vergleich zum Verbleib von DB Schenker im DB-Konzern ist", hatte
die Bahn im Dezember erklärt. Die Tatsache, dass die Prüfung "ergebnisoffen"
geführt wird, beinhaltet neben einer Auktion im übrigen auch andere
Möglichkeiten: einen Börsengang beispielsweise oder einen Verkauf an private
Investoren.

Nach Irvings Ansicht dürfte die Bundesregierung aber daran interessiert
sein, das Schienennetz zu modernisieren und den Schuldenberg der Bahn abzubauen.
Deshalb werde Schenker an den Höchstbietenden gehen - und das dürfte seiner
Meinung nach DSV werden./lew/stw

Entsprechend der Einstufung "Market-Perform" erwarten die Analysten von
Bernstein Research, dass die Kursentwicklung der Aktie in den kommenden zwölf
Monaten um bis zu 15 Prozentpunkte über oder unter der Entwicklung des MSCI Pan
Europe Index liegen wird.

Analysierendes Institut Bernstein.

Veröffentlichung der Original-Studie: 30.08.2023 / 20:48 / GMT Erstmalige
Weitergabe der Original-Studie: 31.08.2023 / 05:00 / GMT

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