12.05.2024 17:38:11 - dpa-AFX: ROUNDUP/Ampel-Streit über Haushalt und Rente: Kanzler will Einigung bis Juli

BERLIN (dpa-AFX) - In der Koalition geht der Streit über den Bundeshaushalt
und mögliche Kürzungen bei der Rente weiter. Während die FDP auf Einsparungen in
der Sozial- und Rentenpolitik setzt, lehnt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Einschnitte für Rentnerinnen und Rentner in Deutschland strikt ab. "Auf deren
Kosten sollte das nicht gehen", bekräftigte Scholz am Samstag bei einer
Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Potsdam. Scholz lehnte
dabei auch den Vorschlag eines höheren Renteneintrittsalters ab und nannte
diesen "absurd". Das sei "nicht der richtige Weg, um einen Haushalt zu
sanieren", sagte Scholz. "Das würde auch gar nichts bringen." Kritik an den
Sparplänen der Liberalen kam auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund. "Die FDP hat
kein Herz für Leute, die sich lange Jahre krumm gearbeitet haben", kritisierte
etwa DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

In einem aktuellen Fünf-Punkte-Papier, das das FDP-Präsidium an diesem
Montag beschließen will, fordern die Liberalen eine "generationengerechte
Haushaltspolitik". Diese müsse die Schuldengrenze des Grundgesetzes einhalten
und dürfe junge Menschen bei der Finanzierung der Renten nicht überfordern,
heißt es darin. Es braucht aus Sicht der Liberalen daher Reformen der
Sozialsysteme sowie die Abschaffung des früheren Renteneintritts mit 63 Jahren.

FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr hatte für ein flexibles
Rentenalter geworben und war mit Äußerungen zum Arbeiten mit 72 Jahren auf
Kritik gestoßen. Der Generalsekretär der Partei, Bijan Djir-Sarai, sagte der
"Bild am Sonntag", die Rente mit 63 entziehe dem Arbeitsmarkt wertvolle
Fachkräfte. Wer länger arbeiten möchte, solle dies "unter attraktiven
Bedingungen machen können". FDP-Finanzexperte Max Mordhorst sagte: "Denkbar ist
zum Beispiel, dass die Rente mit 63 künftig nur noch für Geringverdiener möglich
ist." Mittelfristig müsse sie ganz weg.

Die Forderungen zur Rente stehen in direktem Zusammenhang mit den laufenden
Verhandlungen zum Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Die werden in der
Koalition zunehmend zur Belastungsprobe. Mehrere Bundesministerien wollen sich
nicht an die strikten Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP)
halten - was dieser wiederum scharf kritisiert. "Die Anmeldungen für den
Bundeshaushalt 2025 haben nicht den Eindruck erweckt, dass alle die ökonomischen
Realitäten erkannt haben", sagte Lindner dazu der Mediengruppe Bayern.

Das Finanzministerium blockierte Anfang der Woche kurzfristig den
Kabinettsbeschluss zum Rentenpaket der Bundesregierung. Mit dem Paket, das
Lindner eigentlich bereits mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fertig
ausgehandelt hatte, soll ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 garantiert
werden. Das kostet zusätzliches Geld, sodass der Beitragssatz steigen wird. Zu
hohe Beitragssätze lehnen die Liberalen aber strikt ab. Der FDP-Parteitag im
April hatte ebenfalls eine Reform des Rentenpakets angeregt. Wann genau das
Rentenpaket im Kabinett beschlossen werden kann, ist derzeit noch unklar. Aus
Regierungskreisen hieß es, dass eine Befassung noch im Mai angestrebt werde.

Vor diesem Hintergrund betonte Kanzler Scholz: "Für mich ist ganz klar, dass eine Sache für unser Land wichtig ist, nämlich, dass wir den sozialen
Zusammenhalt nicht infrage stellen." Der Kanzler hofft nach eigenen Angaben auf
eine Einigung bis Juli. "Dass Anfang Juli der Haushalt steht, das steht fest -
glaube ich." Scholz sprach von einer großen Aufgabe. Ohne Details zu nennen,
betonte er: "Wir geben in jedem Fall mehr Geld aus als früher."

SPD-Parteichefin Saskia Esken kritisierte den liberalen Koalitionspartner.
Sie sagte der "Süddeutschen Zeitung", es sei wenig hilfreich, wenn die
Verhandlungen zum Haushalt 2025 im Wochentakt mit parteinahen Positionspapieren
begleitet würden. Sie wies die Kritik der FDP an der Rente mit 63 und am
Bürgergeld zurück. Die soziale Sicherheit in Deutschland sei für die SPD nicht
verhandelbar. "Insbesondere kommt eine Erhöhung des Renteneintrittsalters für
uns nicht infrage, auch und gerade nicht für die, die lange Jahrzehnte hart
gearbeitet haben und deshalb die Möglichkeit haben, vorgezogen in Rente zu
gehen", sagte Esken.

DGB-Vorstandsmitglied Piel warnte davor, "den Bundeshaushalt zu Lasten der
jahrzehntelang hart arbeitenden Menschen sanieren zu wollen". Menschen, die in
Deutschland fast ein halbes Jahrhundert lang gearbeitet und Beiträge gezahlt
hätten, hätten "eine Rente ohne Abzüge vor dem 67. Lebensjahr redlich verdient",
erklärte Piel weiter. Die FDP müsse ihre Blockade beim Rentenpaket aufgeben. Es
brauche hier eine rasche Einigung der Bundesregierung, forderte Piel.

Der Haushalt dürfte auch jenseits der Rentenfrage in den kommenden Wochen
weiter für Streit sorgen. Ebenfalls umstritten sind unter anderem die
Einsparforderungen an das Bundesentwicklungsministerium. Der stellvertretende
FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki forderte hier deutliche Kürzungen. "Im
Entwicklungshilfe-Etat würde ich massiv sparen. Weil es zunächst darauf ankommt,
die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, erst dann können wir
anderen Ländern helfen", sagte Kubicki der "Welt am Sonntag".

Er regte an, das Ausgaben-Niveau auf den Durchschnitt der G7-Staaten
abzusenken und rund 20 Milliarden Euro in diesem Bereich einzusparen. Was
wiederum für lauten Protest aus den Reihen der Grünen sorgte. Fraktionsvize
Agnieszka Brugger nannte den Vorstoß Kubickis "maximal unseriös und
außenpolitisch extrem unklug". Die Entwicklungszusammenarbeit in der jetzigen
Form sei auch in Deutschlands ureigenem Interesse, betonte Brugger. Kritik an
Kubickis Vorschlag kam auch aus der Union und der Partei Die Linke./faa/DP/he

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