03.07.2024 13:41:25 - dpa-AFX: EM 2024: Eklat um Wolfsgruß bei EM - Was steckt hinter der Geste?

BERLIN/ISTANBUL (dpa-AFX) - Der Torjubel des türkischen Nationalspielers
Merih Demiral mit dem sogenannten Wolfsgruß hat die Diskussion über die
Zulässigkeit der Geste erneut befeuert. Die Europäische Fußball-Union UEFA hat
ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Viele kritisieren Demiral scharf, er
verteidigt sie als Ausdruck seiner Freude.

Was bedeutet die Handgeste?

Die Handgeste imitiert den Kopf eines Wolfes und ist Symbol und
Erkennungszeichen der in der Türkei gegründeten rechtsextremistischen Bewegung
der "Grauen Wölfe". Zeigefinger und kleiner Finger formen die Ohren, Daumen und
Mittel- und Ringfinger eine Art Schnauze. Die Geste geht zurück auf einen
türkischen Mythos, drückt in der Regel aber die Zugehörigkeit und das
Sympathisieren mit der Bewegung und ihrer Ideologie aus.

Wer sind die "Grauen Wölfe"?

"Graue Wölfe" ist eine Bezeichnung für die "Ülkücü"-Bewegung. Ihr Symbol ist der graue Wolf (türkisch: Bozkurt). Die Bewegung wurde in den 1960er Jahren von
Alparslan Türke? gegründet und steht für eine rassistisch-nationalistische
Ideologie, die von der historischen und moralischen Überlegenheit der Turkvölker
ausgeht und Abweichungen davon diskriminiert.

"Graue Wölfe" wurden in den 60er Jahren militante Jugendgruppen und
Paramilitärs genannt. Ihnen werden zahlreiche politische Morde an unter anderem
Kurden, Aleviten, Sozialisten und Gewerkschaftern in der Türkei zwischen den
60er und 90er Jahren angelastet.

Zu der "Ülkücü"-Bewegung zählt auch die sogenannt Große Einheitspartei BBP
und die ultranationalistische Partei MHP. Sie ist Regierungspartner von
Präsident Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP.

Was sagt der Verfassungsschutz über die "Grauen Wölfe" in Deutschland?

Die Ableger der "Grauen Wölfe" in Deutschland werden vom Verfassungsschutz
beobachtet. Der stuft die Gruppierung als eine "erhebliche Bedrohung für die
freiheitlich demokratische Grundordnung" ein. Der Ideologie der
"Ülkücü"-Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht 2023 ein "übersteigerter
Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" wie Rassismus und
Antisemitismus attestiert. Mit mehr als 12.000 Anhängern ist sie eine der
größten rechtsextremen Gruppen in Deutschland.

Ein großer Teil davon sei in Vereinen organisiert, die wiederum unter dem
Dach größerer Verbände in Deutschland zusammengeschlossen sind. Als
mitgliederstärkster Verband gilt die Föderation der Türkisch-Demokratischen
Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) mit rund 7.000 Mitgliedern in über 200
Ortsvereinen. Auch die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa
e.V (ATIB) und die Föderation der Weltordnung in Europa (ANF) sind mit je rund
2.500 und 1.000 Mitgliedern vertreten.

Wie denkt die Politik in Deutschland über die Aktion?

In der Bundespolitik zeigt man sich empört über die Geste. "Die Symbole
türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen", teilte
Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf X mit. Es sei inakzeptabel, die
Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen. Auch für
Bundesagrarminister Cem Özdemir sei die Botschaft "rechtsextrem, steht für
Terror, Faschismus."

"Es ist skandalös, dass die Bundesregierung ein Verbot der
islamistisch-türkischen Organisation und ihrer faschistischen Symbolik seit
Jahren verschleppt", erklärte Sevim Dagdelen, außenpolitische Sprecherin vom
Bündnis Sahra Wagenknecht und forderte ein Verbot der rechtsextremen Gruppe.

Das wünscht sich auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland. "Fans
übernehmen solche Zeichen, unter türkischen Jugendlichen auch in Deutschland
gilt es als cool, rechtsextrem zu sein", erklärte der Bundesvorsitzende Ali
Toprak. "Man stelle sich vor, ein österreichischer Spieler hätte nach einem
Torschuss einen Hitlergruß gezeigt."

Welche Konsequenzen erwarten Demiral?

Die Europäische Fußball-Union UEFA hat ein Untersuchungsverfahren gegen den
türkischen Nationalspieler Merih Demiral nach dessen Torjubel mit dem
sogenannten Wolfsgruß eingeleitet. Es gehe dabei um ein mögliches unangemessenes
Verhalten des 26-Jährigen, teilte die UEFA am Mittwochvormittag mit. Sollte
Demiral bestraft werden, könnten ihm Folgen für das anstehende Viertelfinale
gegen die Niederlande drohen./apo/DP/mis

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