11.07.2024 06:15:28 - dpa-AFX: VERMISCHTES/'Rust'-Prozess: Baldwin verteidigt sich wegen Todesschuss

SANTA FE (dpa-AFX) - Im Prozess gegen Alec Baldwin wegen fahrlässiger Tötung
einer Kamerafrau stellt die Verteidigung den Vorfall als Tragödie dar, für die
der Hollywoodstar jedoch keine Schuld trage. "Alec Baldwin hat kein Verbrechen
begangen. Er war Schauspieler, der seine Rolle spielte", sagte Anwalt Alex Spiro
vor Gericht in Santa Fe (New Mexico).

Mit ernstem Blick und sichtbarer Anspannung folgt Baldwin dem
Eröffnungsplädoyer seines Anwalts. Im Prozess geht es um die Frage, ob der
66-Jährige bei dem tödlichen Schuss auf eine Kamerafrau am Filmset des Westerns
"Rust" 2021 fahrlässig handelte und deshalb ins Gefängnis muss.

Die Anklage geht auf einen Schuss-Vorfall am Set von "Rust" zurück. Am 21.
Oktober 2021 zückte Hauptdarsteller Baldwin bei Proben einen Revolver, wie vom
Regisseur verlangt. Doch statt harmloser Platzpatronen löste sich scharfe
Munition. Eine Kugel traf Kamerafrau Halyna Hutchins (42) sowie dann den hinter
ihr stehenden Regisseur Joel Souza an der Schulter. Die Mutter eines damals
neunjährigen Sohnes starb kurz danach, Souza kam mit leichteren Verletzungen
davon.

Verantwortung bei Angestellten am Set

"Es wird in diesem Prozess keinen einzigen Zeugen geben, nicht einen
einzigen Beweisfetzen dafür, dass Alec wusste oder hätte wissen können, dass die
Waffe mit einer scharfen Patrone geladen war", betonte Verteidiger Spiro.
"Schauspieler überprüfen die Waffen nicht, die Sicherheit wird von speziellem
Personal gewährleistet". Doch die Verantwortung dafür, dass Waffen bei Filmdrehs
ungefährlich sind, liege bei Waffenmeistern und anderen Angestellten.

Kein Schauspieler habe jemals scharfe Munition aus einer Revolver-Requisite
entfernt, so Spiro weiter. Alec Baldwin habe sich deshalb nichts zuschulden
kommen lassen, sondern lediglich seinen Job gemacht. Zwölf Geschworene sollen
bei dem auf acht Verhandlungstage angelegten Verfahren entscheiden. Baldwin
hatte auf "nicht schuldig" plädiert. Ihm drohen bis zu 18 Monate Haft.

Lila Hemd und ernster Blick

Baldwin war auf den TV-Bildern aus dem Gerichtssaal mit ernstem
Gesichtsausdruck zu sehen. Er trug einen dunklen Anzug und Krawatte sowie ein
lilafarbenes Hemd und setzte zeitweise seine Brille auf, um in Dokumenten zu
lesen. Auch seine Ehefrau, Hilaria Baldwin (40), und einer seiner Brüder, der
Schauspieler Stephen Baldwin (58), waren anwesenden Journalisten zufolge im
Saal.

Staatsanwältin Erlinda Johnson legte vor der Jury eine andere Version zur
Verantwortung Baldwins dar: "Die Beweise werden zeigen, dass derjenige, der mit
einer echten Waffe gespielt und die Grundregeln der Waffensicherheit verletzt
hat, der Angeklagte Alexander Baldwin ist". Er sei deshalb der fahrlässigen
Tötung schuldig.

Johnson beleuchtete in ihrem Eröffnungsplädoyer auch die Rolle der bereits
verurteilten Waffenmeisterin Hannah Gutierrez-Reed. Vielen Arbeitenden am Set
sei bewusst gewesen, dass Gutierrez-Reed wenig Erfahrung als Waffenmeisterin
gehabt habe. Trotzdem habe Baldwin "kein Mal, wenn er diese Waffe in der Hand
hatte, eine Sicherheitsüberprüfung" durchgeführt.

Der Schauspieler habe den Revolver zudem in vielen weiteren Fällen nicht
sachgemäß behandelt. Baldwin habe mit ihm beim Dreh auf Menschen gezeigt. "Sie
werden sehen, wie er seinen Finger auf den Abzug legte, obwohl sein Finger nicht
am Abzug sein sollte", so Johnson weiter zur Jury.

"Auf einem Filmset darf man den Abzug drücken"

Anwalt Spiro hielt dagegen: "Auf einem Filmset darf man den Abzug drücken."
Falls Baldwin dies - auch wenn er sich daran nicht erinnern kann - getan habe,
mache ihn das nicht schuldig. Sein Mandant habe nicht wissen können, dass die
Waffe mit einer scharfen Kugel geladen war, die es auf Sets eigentlich gar nicht
geben dürfe. Der Revolver sei dem Star aus Filmen wie "Jagd auf Roter Oktober"
und "Blue Jasmine" geprüft übergeben worden.

Nach den Eröffnungsplädoyers wurden am Mittwoch zwei Polizisten und eine
Tatorttechnikerin als erste Zeugen in dem Verfahren aufgerufen. Baldwin und die
anderen Prozessteilnehmer bekamen während den Befragungen immer wieder
Videomitschnitte gezeigt, die das Chaos und Verwirrung nach dem Todesschuss
zeigen. In einer besonders intensiven Aufnahme war zu sehen, wie Menschen um das
Leben Hutchins kämpfen, die leblos auf dem Boden liegt.

Früherer Schuldspruch gegen Waffenmeisterin

Den Prozess hat Richterin Mary Marlowe bis Mitte Juli angesetzt. Dabei sind
Kameras zugelassen - per Livestream wird das Verfahren der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Im Zeugenstand werden unter anderem Filmschaffende,
Ermittler und Waffenexperten erwartet. Ob Baldwin selbst aussagen wird, ist
bislang nicht bekannt.

In einem separaten Prozess war die Waffenmeisterin Gutierrez-Reed, die am
Set von "Rust" für Waffensicherheit zuständig war, bereits wegen fahrlässiger
Tötung schuldig gesprochen worden. Sie hatte die Waffe, die scharfe Munition
enthielt, geladen. Im April wurde sie zur Höchststrafe von 18 Monaten Haft
verurteilt./scb/DP/stk

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