14.07.2024 01:56:15 - dpa-AFX: Brauchen deutsche Nachrichtendienste mehr Befugnisse?

BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts angeblicher russischer Pläne gegen den
Rheinmetall -Chef wird der Ruf nach mehr Befugnissen für die
deutschen Sicherheitsbehörden wieder lauter. Entsprechende Forderungen stellte
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU). Grünen-Fraktionsvize Konstantin von
Notz sagte daraufhin der Deutschen Presse-Agentur: "Die Lage ist zu ernst, um
parteipolitische Süppchen darauf zu kochen." Der SPD-Politiker Jens Zimmermann
sprach von reflexhaften Forderungen.

Das Komplott gegen den Rheinmetall-Chef sollen nach Informationen des
US-Senders CNN amerikanische Geheimdienste aufgedeckt haben.

Schuster sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich habe ein massives Problem damit,
dass wir permanent Informationen aus dem Ausland brauchen." Bei den dortigen
Sicherheitsbehörden gebe es "die Instrumente, mit denen sie diese Erkenntnisse
gewinnen, wofür ich hier in Deutschland keine politischen Mehrheiten finde".

Innenminister: Vor die Lage kommen

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der
"Bild"-Zeitung: "Wir müssen vor die Lage kommen, frühzeitige Informationen sind
der Kernpunkt vom ganzen Geschäft. Informationen, die spannend sind, sind heute
nicht mehr auf der Straße zu kriegen oder indem man sich in der Kneipe
rumtreibt, sondern im Netz. Also braucht man Kompetenzen."

Zwar generieren westliche Geheimdienste generell sehr viele Hinweise in
gemeinsamer Arbeit, wie der frühere hochrangige Mitarbeiter des
Bundesnachrichtendiensts (BND) und heutige Sicherheitsexperte Gerhard Conrad in
den ARD-"Tagesthemen" erklärte. Aber richtig ist auch, dass "die deutschen
Dienste in der Aufklärung, in der Fernmeldeaufklärung und auch in anderen
Bereichen deutlich restriktiver geregelt sind". Sie dürften nicht, was andere
Dienste - besonders der USA - dürften. "Das muss man eben bedenken, ob diese
Güterabwägungen, die in früherer Zeit getroffen worden sind, heute noch
tragfähig sind."

Schuster: Hochriskant, sich auf das Ausland verlassen zu müssen

Nötig sind aus Sicht Schusters und der Union: die Vorratsdatenspeicherung,
also die anlasslose Speicherung von Standort- und Verkehrsdaten der
Telekommunikation, um sie gegebenenfalls für Anti-Terror-Ermittlungen parat zu
haben; die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), die
vor einer Verschlüsselung oder nach einer Entschlüsselung greift, sowie
Onlinedurchsuchungen. Der Landesminister sagte: "Das sind die Methoden, weshalb
die Amerikaner uns wertvolle Informationen geben können. Wenn wir aber nichts
dürfen - ich halte das für hochriskant, sich immer wieder auf Erkenntnisse aus
dem Ausland verlassen zu müssen." Die Vorratsdatenspeicherung ist seit langem
umstritten.

Bericht: Pläne aufgedeckt

US-Geheimdienste sollen laut CNN Anfang des Jahres Pläne der russischen
Regierung zu Ermordung des Vorstandschefs des größten deutschen Rüstungskonzerns
Rheinmetall, Armin Papperger, aufgedeckt haben. Demnach wurde daraufhin die
deutsche Seite informiert und der 61-Jährige in der Folge besonders geschützt.
Rheinmetall ist einer der größten europäischen Lieferanten für Panzertechnik und
Artilleriegeschosse für die Ukraine. Im Juni hat der Konzern eine
Reparaturwerkstatt für Schützenpanzer in der Westukraine eröffnet. Geplant ist
auch die Produktion neuer Panzer.

Der Kreml dementierte angebliche Anschlagspläne. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte gesagt, man äußere sich "nicht zu einzelnen
Bedrohungssachverhalten". "Aber ganz klar ist: Wir nehmen die erheblich
gestiegene Bedrohung durch die russische Aggression sehr ernst."

Ampel-Politiker weisen Forderungen zurück

Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin sagte der dpa: "Der reflexhafte Ruf
nach alten und untauglichen Überwachungsinstrumenten wie der
Vorratsdatenspeicherung hilft nicht weiter, wenn man Sicherheit stärken will.
Gerade der Fall der Anschlagspläne auf den Rheinmetall-Chef zeigt, dass andere
und gezieltere Erkenntnisse notwendig sind als die anlasslose Speicherung aller
Login-Daten aller Menschen in Deutschland." Vielmehr zeige der Fall, wie wichtig
und wertvoll die Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten sei. "Sowohl wir als
auch die anderen Länder profitieren davon."

Ampel will Reform

Grünen-Fraktionsvize von Notz sagte, die Ampel arbeite derzeit an einer
umfassenden Reform des Rechts der Nachrichtendienste. Darauf verwies auch der
SPD-Politiker Zimmermann. Auch die Union sollte zur Kenntnis nehmen, dass das
Bundesverfassungsgericht klare Grenzen für die Arbeit der Nachrichtendienste
gesetzt habe, sagte er der dpa. Alle zuständigen Ressorts der Bundesregierung
von Kanzleramt über Innenministerium bis zum Verteidigungsministerium seien 16
Jahre lang von CDU und CSU geführt wurden, diese hätten damit den jetzigen
Zustand der Spionageabwehr maßgeblich mitzuverantworten.

Von Notz sagte, die pauschale These, in Deutschland gebe es härtere
Restriktionen als in anderen Rechtsstaaten, sei irreführend, weil die Rechtslage
und die höchstrichterliche Rechtsprechung deutlich differenzierter seien.
"Zutreffend ist allerdings, dass ein Land wie die USA ein Vielfaches des Geldes
ausgibt, was Deutschland in diesem Bereich investiert. Aus diesem Grund fordern
wir ein Sondervermögen für die innere und äußere Sicherheit."/and/DP/he
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
RHEINMETALL AG 703000 Xetra 546,400 13.08.24 17:26:07 +0,400 +0,07% 546,400 546,600 549,000 546,000

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