11.07.2024 06:26:09 - dpa-AFX: Pelosi, Clooney - auch Schumer? Rückhalt für Biden bröckelt

WASHINGTON (dpa-AFX) - Manchmal ist Schweigen lauter als Worte: Die
demokratische Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi hat sich in einem TV-Interview
geweigert, klar zu sagen, ob US-Präsident Joe Biden im Rennen um die
Präsidentschaftskandidatur bleiben soll. Stattdessen forderte sie den
81-Jährigen auf, eine Entscheidung über seine Kandidatur zu treffen. Pelosis
subtile Distanzierung von Biden wiegt schwer und hallt nach. Sie ist nur das
jüngste Beispiel dafür, dass der Rückhalt für Biden in der Partei weiter
bröckelt. Und auch einige von Bidens finanzkräftigen Unterstützern in Hollywood
halten die Füße nicht mehr still.

Bericht: Schumer hält Biden-Alternative für möglich

In Washington spitzt sich die Lage für Biden unterdessen weiter zu. Mit
Peter Welch ruft der erste Senator Biden offen zum Rückzug auf. Und einem
Bericht zufolge soll sich auch der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat,
Chuck Schumer, gegenüber Spendern offen gezeigt haben, Biden auszutauschen. Das
berichtete das Portal Axios unter Berufung auf zwei nicht namentlich genannte
Quellen. Öffentlich hatte Schumer sich bisher hinter Biden gestellt. Sein Büro
teilte als Reaktion auf den Bericht lediglich mit, dass Schumer Biden
unterstütze und sich weiterhin dafür einsetze, dass Republikaner Donald Trump im
November besiegt werde.

Das öffentliche Urteil eines anderen Biden-Unterstützers kam zuvor mit der
Gewalt eines Donnerschlags: Hollywoodstar George Clooney rechnete in der "New
York Times" mit Bidens Kandidatur ab und forderte ihn zum Rücktritt auf.

Sollte sich auch Schumer derart öffentlich gegen Biden wenden, könnte der
81-Jährige endgültig den Rückhalt im Kongress verlieren. Dann dürfte das
Schicksal von Bidens Kandidatur besiegelt sein. Bereits Pelosis Worte sind für
Biden aber ein Schlag ins Gesicht. Sie nicht nur eine enge Vertraute von Biden.
Die einstige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses ist auch eine mächtige
Figur in der Demokratischen Partei.

Pelosi setzt Biden unter Druck

In der Sendung "Morning Joe", angeblich Bidens liebstes politisches
Frühstücksfernsehen, sagte die 84-Jährige: "Es liegt am Präsidenten zu
entscheiden, ob er kandidiert." Sie fügte hinzu: "Wir alle ermutigen ihn, diese
Entscheidung zu treffen. Die Zeit wird knapp." Auf den Hinweis des Moderators,
dass Biden sich ja offenbar schon entschieden habe, im Rennen zu bleiben,
reagierte Pelosi ausweichend.

Stattdessen schob sie nach: "Er wird geliebt, er wird respektiert, und die
Menschen wollen, dass er diese Entscheidung trifft." Pelosi hatte sich nach
Bidens TV-Debakel gegen den republikanischen Herausforderer Donald Trump
zunächst eisern hinter den US-Präsidenten gestellt. Doch bereits in der
vergangenen Woche äußerte Pelosi erste Zweifel und sagte, dass es eine
"berechtigte Frage" sei, ob es sich bei Bidens Patzer im TV-Duell "nur um eine
Episode oder einen Zustand" gehandelt habe.

Pelosi ist mit 84 Jahren selbst nicht mehr die Jüngste. Sie stellt sich im
November erneut für ein Mandat im US-Abgeordnetenhaus zur Wahl. Der bekannte
demokratische Senator John Fetterman, der hinter Biden steht, reagierte
verwundert auf Pelosis aktuelle Aussagen. "Es ist entschieden. Es ist seltsam,
dass sie so etwas sagt." Stunden nach Pelosis Interview stellte sich ein
weiterer Abgeordneter gegen Biden.

Mit geballter Faust gegen Kritik

Biden kämpft derzeit darum, seine Kandidatur für die Präsidentenwahl im
November zu retten. In den USA wird diskutiert, ob Biden wegen seines hohen
Alters der richtige Präsidentschaftskandidat der Demokraten ist. Biden muss sich
seit seinem katastrophalen Auftritt beim TV-Duell gegen Trump zunehmend Fragen
zu seiner geistigen Fitness gefallen lassen. Auf Kritik reagiert er jedoch
trotzig und wirkt bisweilen stur. Einen Ausstieg aus dem Rennen hat er bisher
vehement ausgeschlossen.

Die Frage einer Journalistin, ob Nancy Pelosi noch hinter seiner
Präsidentschaftskandidatur stehe, konterte Biden beim Nato-Gipfel mit einer
geballten Faust. Zu der Szene kam es, als die Staats- und Regierungschefs der 32
Nato-Staaten sich zu einem Familienfoto versammelten. Bidens selbstbewusster
Konter sorgte unter anderem bei Bundeskanzler Olaf Scholz, der schräg hinter ihm
stand, für einen Schmunzler.

Eigentlich müsste der wichtige Gipfel des Verteidigungsbündnisses in der
US-Hauptstadt Washington aktuell Bidens ganze Aufmerksamkeit fordern - doch die
Unruhe in seiner Partei dürfte Biden ebenso sehr beschäftigen.

Republikaner greifen an

Derweil verstärken die Republikaner ihre Angriffe auf Biden. Der Vorsitzende des wichtigen Kontrollausschusses im Repräsentantenhaus lud mehrere ranghohe
Mitarbeiter des Weißen Hauses vor. Die Republikaner werfen Bidens Umfeld vor,
dessen Gesundheitszustand zu vertuschen. Unter den Vorgeladenen ist auch ein
enger Berater von First Lady Jill Biden. Es ist offen, ob die Vorgeladenen
tatsächlich aussagen werden. Die Republikaner werfen Biden vor, geistig nicht in
der Lage zu sein, sein Amt auszuüben.

Journalist beantwortet Biden-Frage eines Passanten

Bei den Demokraten hat sich noch keine kritische Masse gegen Biden gestellt. Aber die Zweifel reißen nicht ab - und jeden Tag kommen neue
Rücktrittsforderungen hinzu. Heute wartet ein Härtetest auf den Demokraten: Die
Abschlusspressekonferenz des Nato-Gipfels. Dort muss Biden sich ohne
Teleprompter den Fragen der Presse stellen. Gerade in solchen Momenten neigt er
zu Versprechern und Patzern.

Biden hat außerdem ein neues TV-Interview angekündigt, um zu zeigen, dass er in Situation ohne Prompter bestehen kann. Am Montagabend (deutsche Nacht zu
Dienstag) will er sich den Fragen von NBC-Journalist Lester Holt stellen.
Vergangene Woche hatte Biden dem Sender ABC sein erstes Interview nach der
Debatte gegeben und betont, dass nur Gott ihn zum Rückzug bewegen könne.

Der Journalist, der Biden interviewte, war George Stephanopoulos -
ausgerechnet der fiel nun mit einer brisanten Aussage auf. Auf einem Video ist
zu sehen, wie der Journalist in New York sagt, dass Biden nicht vier weitere
Jahre im Amt bleiben könne. "Vorhin habe ich auf die Frage eines Passanten
geantwortet. Das hätte ich nicht tun sollen", zitierten US-Medien Stephanopoulos
Sprecher.

Clooney rechnet mit Biden ab

Wohl eher ohne Reue äußerte sich Schauspieler George Clooney in einem
Meinungsstück in der "New York Times" vernichtend über Biden. Der 63-Jährige
forderte den US-Präsidenten unverblümt auf, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.
Eine Schlacht, die er nicht gewinnen könne, sei der Kampf gegen die Zeit.
Erfolgsregisseur und Produzent Rob Reiner ("Harry und Sally") schloss sich
Clooney an und schrieb: "Die Demokratie steht vor einer existenziellen
Bedrohung. Wir brauchen jemand Jüngeren, der zurückschlägt. Joe Biden muss Platz
machen." Biden wird von diversen Stars unterstützt - Hollywood gilt als eher
liberal.

Clooney hatte erst vor wenigen Wochen bei einer Wahlkampfveranstaltung mit
anderen Stars wie Julia Roberts Millionen-Spenden für Bidens Wahlkampf in Los
Angeles gesammelt. Biden war damals vom G7-Gipfel in Italien direkt nach
Hollywood gereist, um an dem glamourösen Event teilzunehmen. Zu der
Veranstaltung schrieb der Schauspieler nun: "Er war derselbe Mann, den wir alle
bei der Debatte gesehen haben."/nau/DP/stk

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