08.07.2024 23:29:42 - dpa-AFX: ROUNDUP 4/Pistorius: 'Die Truppe muss ihren Job erledigen können'

(Aktualisierung: Einstieg und Überschrift geändert)

MILITÄRFLUGPLATZ EIELSON/BERLIN (dpa-AFX) - Verteidigungsminister Boris
Pistorius (SPD) will den Fokus angesichts knapper Kassen in der Bundeswehr nun
erst einmal auf den laufenden Betrieb richten. Er habe die klare Maßgabe
ausgegeben, dass im kommenden Jahr die Einsatz- und Übungsfähigkeit im
Vordergrund stehe, sagte Pistorius am Montag auf dem US-Militärflugplatz Eielson
in Alaska, wo die Deutsche Luftwaffe mit Partnern aus den USA, Spanien und
Frankreich den gemeinsamen Kampf gegen einen Angreifer trainierte.

"Die Truppe muss ihren Job erledigen können, darauf kommt es an. Das heißt,
alles notwendige Material muss zulaufen und ersetzt werden. Was an größeren
Projekten im nächsten Jahr ausgelöst werden kann oder nicht, das werden die
nächsten Monate zeigen", sagte Pistorius. Er machte auch deutlich, dass er
Auseinandersetzungen um den Haushaltsentwurf der Ampel-Spitzen vor dem
Nato-Gipfel nicht weiterführen will. Pistorius sagte: "Wir stehen am Beginn
einer großen Übung. Die steht im Mittelpunkt. Alles Weitere wird in den nächsten
Wochen in Berlin diskutiert werden."

Verteidigungsetat wächst nur um 1,2 Milliarden Euro

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten in der Nacht zum Freitag den
seit Monaten schwelenden Haushaltsstreit beigelegt und sich auf Eckpunkte für
den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Die Schuldenbremse wird eingehalten, eine
Haushaltsnotlage etwa wegen der Ausgaben für die militärische und humanitäre
Unterstützung der Ukraine wird nicht festgestellt. Dies war der FDP und ihrem
Finanzminister Christian Lindner wichtig.

Der Verteidigungshaushalt von derzeit rund 52 Milliarden Euro soll demnach
nur um etwa 1,2 Milliarden Euro wachsen. Pistorius hatte deutlich mehr und eine
Ausnahme dieser Ausgaben von der Schuldenbremse gefordert. Daran gibt es
deutliche Kritik, auch aus der Ampel-Koalition. Pistorius sagte zu dem
Etatentwurf: "Wir werden sehen, was sich in den nächsten Wochen und Monaten
weiter ergibt. Ich muss mich darauf einstellen und das Beste daraus machen."

Generalinspekteur: Was nützt Gerät, wenn Soldaten es nicht betreiben können?
"Angesichts der Bedrohungslage brauchen wir eine Verstetigung", sagte
Generalinspekteur Breuer der "Süddeutschen Zeitung". Das
100-Milliarden-Sondervermögen werde bis Ende des Jahres vertraglich komplett
gebunden sein. Mit der Anschaffung von neuen Waffensystemen stiegen auch die
Betriebskosten. "Was nützt neues Gerät, wenn die Soldaten es nicht betreiben
können?" Er warnte, Russland könne sich um das Jahr 2029 herum auch gegen
Nato-Staaten wenden, daher sei die Abschreckung so wichtig. "Die russischen
Streitkräfte planen einen Aufwuchs auf 1,5 Millionen Soldaten, das sind mehr
Soldatinnen und Soldaten als in der gesamten EU."

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Wir bräuchten eine Diskussion darüber,
wie viel uns Sicherheit wert ist und worauf wir verzichten wollen, wenn wir die
zwei Prozent langfristig im Haushalt verankern."

Habeck: Bestände der Bundeswehr "leer"

Vizekanzler Habeck verteidigt den Haushaltsentwurf vor Beginn seiner
Sommerreise in Stuttgart: Der Entwurf "hält sich an die Bedingungen, die wir uns
in der Verfassung gegeben haben, also die Schuldenbremse. Man kann vielleicht
darüber reden, dass die letzten Jahre die Schuldenbremse nur eingehalten werden
konnte, weil diese großen Verteidigungsausgaben nicht ausreichend finanziert
wurden." Das Zwei-Prozent-Ziel habe die Merkel-Regierung nicht erreicht. "Die
Konsequenz ist, dass die Bestände der Bundeswehr leer sind." Offizielles Ziel
der Nato ist es, dass jedes Land jährlich mindestens zwei Prozent seines
Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgibt. Die Finanzbedingungen
passten nicht zur Sicherheitslage Deutschlands. Das sei seine persönliche
Meinung und die seiner Partei, es gebe dazu keine Einheitlichkeit in der
Bundesregierung.

SPD-Generalsekretär wünscht sich "kleine Sommerpause"

Kühnert hingegen hofft in der Debatte auf Ruhe. "Konkrete Diskussionen über
Korrekturen am Haushalt ergeben erst Sinn, sobald der ausgefertigte
Haushaltsentwurf des Kabinetts beschlossen wurde. Das wird am 17. Juli der Fall
sein", sagte Kühnert der "Rheinischen Post". "Zumindest bis dahin sollte der
Berliner Politikbetrieb sich und den Menschen im Land eine kleine Sommerpause
gönnen." Kühnert bezeichnet den Kompromiss der Ampel-Spitzen als "gute
Grundlage" für die weiteren Haushaltsberatungen.

Pistorius informiert sich vor Nato-Gipfel über Manöver der Luftwaffe

Von der Luftwaffenbasis Eielson aus trainierten am Montag unter deutscher
Führung Kampfpiloten aus mehreren Staaten Luftkriegsoperationen unter
Nato-Standards. Angenommen wird der Bündnisfall ("Artikel 5"), bei dem ein
Angriff auf einen oder mehrere Verbündete gemeinsam abgewehrt wird. An der Übung
sind etwa 60 Kampfjets sowie weitere Tankflugzeuge, Transporter und Hubschrauber
beteiligt. Sie üben die Zerstörung der gegnerischen Luftverteidigung sowie den
Kampf gegen Luftstreitkräfte und die Zerstörung von Kommandozentralen. Auch das
Kommando Spezialkräfte (KSK) ist beteiligt mit Übungen zur Geiselbefreiung und
der Einweisung von Luftangriffen vom Boden aus.

Pistorius reiste direkt im Anschluss nach Washington ab. Dort beginnt am
Dienstag der Nato-Gipfel mit Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum des
Verteidigungsbündnisses. Er findet in einer Phase politischer Unsicherheit
statt, nachdem die Eignung von US-Präsident Joe Biden als
Präsidentschaftskandidat öffentlich angezweifelt wird. Unklar ist, wohin die USA
steuern, wenn der frühere US-Präsidenten Donald Trump bei der US-Wahl im
November wieder ins Amt kommt. Er hatte zeitweise sogar mit einem Austritt der
USA aus dem Bündnis gedroht und insbesondere Deutschland kritisiert.

"75 Jahre Nato. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine
ist dieses Militärbündnis so relevant und so bedeutsam wie eh und je und
eigentlich muss man sagen, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr", sagte
Pistorius in Alaska vor seiner Weiterreise. Der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo
Gerhartz, bezeichnete die Übungsserie mit Verlegungen auch in den
indopazifischen Raum als das "mit Abstand das größte und komplexeste, was wir
mit der Luftwaffe jemals gemacht haben"./cn/DP/he

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