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11.07.2024 23:35:07 - dpa-AFX: ROUNDUP/Pistorius: Weitreichende US-Waffen stärken Abschreckung

WASHINGTON/MOSKAU/PEKING (dpa-AFX) - Kanzler, Vizekanzler und
Verteidigungsminister der Ampel-Regierung sind sich einig: Eine Stationierung
weitreichender US-Waffen in Deutschland ist ein wirksamer Beitrag zur
Abschreckung einer russischen Aggression.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte beim Nato-Gipfel in
Washington dem ZDF-"heute journal": "Wir haben eine neue Bedrohungslage.
Wladimir Putin hat gezeigt, wozu er bereit und in der Lage ist."

Den ARD-"Tagesthemen" sagte der Minister, von einem neuen Wettrüsten könne
keine Rede sein. "Russland hat diese Waffensysteme schon seit längerem unter
anderem - wie wir vermuten - in Kaliningrad stationiert, das heißt in absoluter
Reichweite zu Deutschland und anderen europäischen Nationen."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Vize Robert Habeck (Grüne) sehen in der Aufrüstung ebenfalls eine Notwendigkeit. "Wir wissen, dass es eine
unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches
Territorium bedrohen", sagte Scholz beim Gipfel zum 75-jährigen Bestehen der
Nato.

Habeck sagte der Zeitung "Neue Westfälische" (Freitagsausgabe)., die
russische Aufrüstung bedrohe "offensichtlich auch die Nato-Ostflanke". "Russland
ist also kein Friedenspartner im Moment."

Russland - und auch China - üben heftige Kritik an den Plänen und zeigen
dabei Geschlossenheit. Russlands Außenministerium drohte eine militärische
Antwort an. China wies den Vorwurf der Allianz zurück, den russischen
Präsidenten Wladimir Putin im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unterstützen.
Die Erklärung des Jubiläumsgipfels der Nato zu China sei voll von
Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen.

Scharfe Worte fand die Führung in Moskau auch zu den politischen und
militärischen Beschlüssen der Regierungschefs des Bündnisses zur Ukraine. Dem
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde Unterstützung zugesagt, die
eines Tages in einem Nato-Beitritt münden soll. Mit Blick auf China nahmen auch
Vertreter aus Indopazifik-Staaten an den Beratungen teil.

Scholz: Entscheidung der USA passt in unsere Strategie

Scholz sagte, man habe lange beraten, wie man auf Russlands Aufrüstung neben dem nuklearen Schutzschirm der Nato mit konventioneller Abschreckung reagieren
könne. Die Stationierung weitreichender Waffen sei bereits vor einem Jahr in der
ersten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik festgeschrieben
worden. "Deshalb passt die Entscheidung der Vereinigten Staaten genau in diese
Strategie, die wir öffentlich diskutieren seit langer Zeit."

Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in
Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Das hatten das Weiße
Haus und die Bundesregierung am Mittwoch verkündet.

Moskau ist etwa 1600 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Von 2026 an
sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit einer Reichweite von bis zu 2500
Kilometern, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen
für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen.

Die Entscheidung lässt Erinnerungen an den Kalten Krieg wach werden. Scholz
hatte Anfang der 80er Jahre selbst als junger Sozialdemokrat gegen den
Nato-Doppelbeschluss protestiert, der unter anderem die Stationierung von
Mittelstrecken-Raketen vom Typ Pershing II vorsah, die nach dem Ende des Kalten
Krieges bis 1991 wieder abgezogen wurden.

Viel Geld an die Ukraine - Weg zum Beitritt unumkehrbar

In der Gipfelerklärung wird der Ukraine versprochen, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden
Euro erhält. Das ist in etwa der Betrag, der auch im vergangenen Jahr
mobilisiert werden konnte. Beim Streitthema Nato-Beitrittsperspektive gibt es
einen Kompromiss. Das Bündnis sichert der Ukraine zu, dass sie auf ihrem Weg in
das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden kann.

Moskau: Nato-Pläne "Kettenglied im Eskalationskurs"

Zu der geplanten Stationierung von Waffensysteme in Deutschland fand man in
Moskau deutliche Worte. Die russische Sicherheit werde durch die US-Waffen
beeinträchtigt, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der staatlichen
Nachrichtenagentur Tass zufolge. Es handle sich um "ein Kettenglied im
Eskalationskurs" der Nato und der USA gegenüber Russland.

"Wir sind auf dem besten Weg zu einem Kalten Krieg. Das alles gab es schon
einmal", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem russischen Staatsfernsehen. Er
warf Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien vor, direkt in den
Konflikt um die Ukraine verwickelt zu sein. "Und alle Merkmale des Kalten
Krieges kehren zurück - mit Konfrontation, mit direkter Auseinandersetzung
zwischen Gegnern."

Russland überarbeitet Atomdoktrin

Die Nato-Beschlüsse zur Ukraine nannte der Kreml eine Bedrohung der eigenen
Sicherheit. Die Entscheidung, die Ukraine früher oder später in die Allianz
aufzunehmen, verdeutliche das Hauptziel des Bündnisses, Russland kleinzuhalten,
sagte Peskow. Er bestätigte, dass an Veränderungen der Atomdoktrin gearbeitet
werde. Das bisherige Leitprinzip lautet, dass Russland Atomwaffen nur als
Reaktion auf einen Atomangriff oder einer existenziellen Gefahr für das Land bei
einem konventionellen Angriff einsetzen darf.

US-Wahlkampf beim Gipfel: Wie schlägt sich am Ende Joe Biden?

US-Präsident Joe Biden stand beim Nato-Treffen unter ständiger Beobachtung,
nachdem er bei einem TV-Duell gegen Trump Ende Juni Zweifel an seiner geistigen
und körperlichen Fitness gesät hatte. Die ersten beiden Tage kam Biden als
Gastgeber nahezu pannenfrei durch. Die größten Schnitzer leistet sich Biden aber
ohnehin in der Regel nicht, wenn er Reden vom Teleprompter abliest. Schwierig
wird es für den 81-Jährigen, wenn er frei spricht. Daher steht die eigentliche
Bewährungsprobe für den US-Präsidenten auch noch aus: In der Nacht zum Freitag
will er zum Ende des Nato-Gipfels eine Pressekonferenz geben./aha/DP/he

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